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6./7.10.1987: Gespräche Mocks mit Kohl und Genscher
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Dok. 11
Der HVK merkt zum Problem des Kernanlagenvertrages an, dass die Verhand-
lungen bis Ende des Vorjahres sehr gut gelaufen seien. Was den Notenwechsel
betreffend die Ausdehnung des Geltungsbereiches über die Grenzzone hinaus
betrifft, sollte [man] die Möglichkeit einer leichteren Rücknahme dieser Ver-
pflichtung prüfen, um auf diese Weise eher eine Akzeptanz auf bayrischer Seite
zu erzielen.
Zum Gedenkjahr 1938–1988 meinte der HVK, dass dieses sicher Anlass zu sehr
vielseitigen und kontroversiellen Kommentaren sein werde; er bitte um Verständ-
nis und Nachsicht, falls die eine oder andere Äußerung etwas über das Ziel schießt
und der Qualität der heutigen bilateralen Beziehungen nicht voll gerecht wird.
Schließlich bittet der HVK BK Kohl um Unterstützung bei der Frage der Be-
herbergung der KSZE-Abrüstungskonferenzen in Wien und verweist auf den be-
kannten Widerstand Frankreichs. BK Kohl erklärt sich gerne bereit, diesbezüglich
bei seinem französischen Amtskollegen zu intervenieren.
Abschließend kommt BK Kohl auf eine Bitte der Stadt Bonn zu sprechen, wel-
che anlässlich einer Ausstellung „2000 Jahre Bonn“ im kommenden Jahr die
Reichskleinodien der Wr. Schatzkammer herzeigen möchte. Hiezu meint der
HVK, dass es diesbezüglich wahrscheinlich Widerstände der Museumsdirektoren
geben werde, worauf BK Kohl repliziert, es müsse nicht der gesamte Schatz sein;
die Bonner würden sich auch mit einzelnen Teilen desselben begnügen.
Gespräch Vizekanzler Genscher mit Vizekanzler Dr. Mock
in Bonn 7. Oktober 1987
Der HVK leitet das Frühstücksgespräch mit einer Darstellung der neuen öster-
reichischen Integrationspolitik ein und verweist insbesonders auf die in Hinkunft
bei Gesetzesvorlagen anzubringende Konformitätsklausel, die darlegen soll, ob
und inwieweit die österreichischen Regelungen dem Gemeinschaftsrecht entspre-
chen. Der HVK dankt dann für die „briefings“ durch das Auswärtige Amt in An-
gelegenheiten EPZ.15 Außerdem unterstreicht er das österreichische Interesse an
einer Zusammenarbeit im Währungsbereich und im Bereich von EUREKA;16 das
15 Die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) sah zwischen den EG-Mitgliedstaaten
von 1970–1992 Konsultation und Kooperation im Bereich der Außenpolitik vor. Die Initia-
tive ging auf den Gipfel von Den Haag 1969 und den Davignon-Bericht von Oktober 1970 zu-
rück. Zunächst ohne vertragliche Grundlage basierte die EPZ auf der freiwilligen Zusammen-
arbeit der beteiligten Regierungen. Die Kommission und das Europäische Parlament besaßen
keine Kompetenzen. Die Entscheidungen wurden im Europäischen Rat auf Ebene der Staats-
und Regierungschefs getroffen. Erst in der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) von 1986
wurde die EPZ auch vertraglich verankert, behielt jedoch ihren intergouvernementalen Cha-
rakter. Im Vertrag von Maastricht 1992 wurde die EPZ suspendiert und an deren Stelle die
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) geschaffen.
16 EUREKA = European Research Coordination Agency. Die European Research Coordination
Agency wurde von 17 Staaten Europas und Repräsentanten der Europäischen Gemeinschaften
1985 ins Leben gerufen. Der Impuls ging von Frankreich und der Bundesrepublik aus.
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Title
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Subtitle
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Editor
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 792
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99