Page - 281 - in Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 - Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
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13./14.7.1989: Aktenvermerk Gesandter Sucharipa Dok. 48
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den Republikanern „kein Wettrennen veranstalten“. Die Zukunft der bilateralen
Beziehungen wird aber nicht von diesen „Elementen“ entschieden werden.
Bei der Abstimmung der Gemeinsamen Erklärung habe es trotz NATO-Mit-
gliedschaft der BRD fast keine Unterschiede der ursprünglichen Auffassung ge-
geben (nur zweimal habe man Entwürfe ausgetauscht). Eine deutsche Wieder-
vereinigung könne „nicht ohne den Willen der Nachbarn“ erfolgen (BB zitiert in
diesem Zusammenhang Adenauer).23
Alle BRD-Parteien treten „sehr konsequent“ gegen CW auf. Die USA ziehen
nicht mit. Auf SU-Seite gibt es kein Element, das Verhandlungen bremsen könnte.
BB stellte im Zusammenhang mit dem Gorbatschow-Besuch in Frankreich24
und dem für Herbst geplanten in Italien25 (bei dieser Visite werden Wirtschafts-
faktoren
– Zusammenarbeit im Automobilbereich!
– im Vordergrund stehen) fest:
„Wir sind bereit, jegliche Diskussion zu führen, jede Meinung anzuhören.“
HSL verweist insbesondere auf die Passage der Innerallianz-Nichteinmischung
in der Straßburger Rede und die Idee einer neuen europäischen Rechts- und Frie-
densordnung. Für Österreich bleibt trotz der angestrebten Intensivierung seiner
Zusammenarbeit mit den westeuropäischen Staaten die Kooperation mit den ost-
europäischen Ländern eine Realität. Die österreichische Außenpolitik wird auch
in Zukunft durch Beibehaltung des Status der immerwährenden Neutralität ge-
23 Von Adenauer sind eine Reihe von Zitaten zur Frage der deutschen Einigung überliefert,
keines allerdings in dieser explizit ausformulierten Form, jedoch eine Reihe, die sinngemäß
so zu deuten gewesen sind, z. B. „Die Wiederherstellung der deutschen Einheit ist ein Teilpro-
blem innerhalb des großen Konflikts, der Ost und West heute trennt. Es wird demnach im
Rahmen einer generellen Entspannung gelöst werden müssen. Ich bin aber fest davon über-
zeugt, daß das deutsche Volk seine Einheit wiedererlangen wird.“ Vgl. Interview mit der ita-
lienischen Wochenzeitschrift L’Epoca, zitiert nach Bulletin Nr. 106/52 vom 6. August 1952,
S. 1019. „Die deutsche Einheit in Freiheit ist ein Teil der europäischen Einheit in Freiheit. Sie
ist kein isoliertes Problem. Es trifft sicher zu, daß es ohne die deutsche Einheit keinen wirk-
lichen Weltfrieden geben kann. Aber vielleicht läßt sich das auch umkehren. Vielleicht gibt
es keine deutsche Einheit ohne einen Weltfrieden.“ Vgl. Interview mit Ernst Friedlaender,
26. April 1952. Bulletin der deutschen Bundesregierung 47/52; „Es ist richtig, daß die Wieder-
vereinigung in Freiheit nur mit Zustimmung der vier Alliierten, also auch mit Zustimmung
Sowjetrußlands, erfolgen kann.“ Vgl. Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 1. Wahl-
periode, 221. Sitzung, 9. Juli 1952, S. 9799; „Meiner Meinung nach gibt es niemals eine echte
Chance für eine Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit, wenn wir die Freundschaft und
die Hilfe der freien Völker aufs Spiel setzen. Nur mit diesem Rückhalt können wir überhaupt
verhandeln.“ Interview mit Robert Schmelzer für die Ruhr-Nachrichten, 17. April 1958. Siehe
dazu: http://www.konrad-adenauer.de/biographie/zitate/deutsche-einheit/ (zuletzt abgerufen
am 4. Dezember 2016).
24 Gorbatschow besuchte vom 4. bis 6. Juli 1989 Frankreich. Siehe dazu die Dokumente 71–74,
in: Masterpieces of History.
25 Gorbatschow besuchte vom 29. November bis 1. Dezember 1989 Italien. Im Rahmen des Be-
suchs kam er auch mit Papst Johannes Paul II. zusammen. Siehe die Dokumente 57 und 58 in:
Michail Gorbatschow und die deutsche Frage; und Gespräch mit Papst Johannes Paul II. am
1. Dezember 1989 in Rom, in: Michail S. Gorbatschow, Gipfelgespräche. Geheime Protokolle
aus meiner Amtszeit, Berlin 1993, S. 131–142.
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Title
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Subtitle
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Editor
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 792
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99