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5.7.1990: Gespräche Vranitzkys mit Mazowiecki und Jaruzelski
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Dok. 158
Anwesend: PM Mazowiecki, Politischer Direktor im Außenministerium Sułek,2 Ka-
binettschef des PM Wojtkowski;3 HBK, Botschafter Wagner,4 Gesandte Nowotny5
PM Mazowiecki kam zunächst dankbar auf sein Naheverhältnis zu Österreich zu
sprechen sowie auf die Unterstützung, die Österreich bzw. Österreicher Polen und
ihm selbst in schwierigen Situationen gegeben hätten.
Polen und Europa: Die Veränderungen in Mittel- und Osteuropa müßten für die
Schaffung eines neuen europäischen Sicherheitssystems genützt werden. Die KSZE
könnte durch Institutionalisierungen die Plattform für die zukünftige Ordnung in
Europa werden (Verweis auf Vorschlag der Schaffung eines Rates für europäische
Zusammenarbeit). Polen sei um eine Assoziierung mit den EG bemüht und messe
einer möglichst baldigen Aufnahme in den Europarat große Bedeutung bei.6 Diese
sei nicht nur aus politischen Gründen, sondern auch aus psychologischen, gerade
im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage, wichtig. Zur regionalen Zusammen-
arbeit deponierte Mazowiecki einmal mehr den Wunsch Polens auf Mitarbeit in
der Pentagonale und ersuchte Österreich um seine diesbezüglichen guten Dienste.7
auch in einem Gespräch mit dem Unterfertigten, daß die ihm für den Besuch zur Verfügung
gestandene Zeit infolge der innenpolitischen Situation sehr knapp bemessen gewesen sei, und
drückte die Hoffnung aus, daß bald wieder ein Treffen, wenn möglich auch informeller Art,
zustandekomme, um die durch den Besuch gegebenen Impulse nutzen zu können. Den vom
Herrn Bundeskanzler zugesagten Überlegungen und Vorstellungen, insbesondere zur Frage
der Schuldenreduktion und bilateraler wirtschaftlicher Kooperationen, sehe er mit größtem
Interesse entgegen (zum letzteren Thema wird die AHSt [Außenhandelsstelle] gemeinsam mit
der Botschaft eine erste Stellungnahme ausarbeiten). AM Skubiszewski und Außenhandels-
minister Swiecicki äußerten sich dem Unterfertigten gegenüber in überaus positiver Weise
über die Gespräche mit dem Herrn Bundeskanzler“ Das ebenfalls dem Bericht anliegende
Resümee über die Gespräche von Botschafter Schmid mit Vizeaußenminister Makarczyk
die am 5. und 6. Juli stattfanden wird hier ausgespart. Weiters wurde in dem Schreiben Wag-
ners die Nachreichung einer abschließenden Beurteilung des Wirtschafts-Round-Table-Ge-
sprächs und des Gesprächs Vizepremier Balcerowicz angekündigt und ergänzend festgehal-
ten, dass Vranitzky zahlreiche weitere Gespräche mit Vertretern des öffentlichen Lebens in
Polen geführt hat. Der Akt wurde im BMAA von der Abteilung II.3 in Bearbeitung genom-
men. Sachbearbeiter Legationsrat Josef Litschauer verfügte im Auftrag des Bundesministers
die Übermittlung der Protokolle an das Kabinett des Bundeskanzlers z. Hd. der Gesandten
Eva Nowotny und an die Leiter der Sektionen III, IV, V und VI. Vor Hinterlegung des Akts
zeichneten Vertreter der Abteilungen II.1, II.6 und II.7 ab. Die handschriftlichen Unterstrei-
chungen im BMAA sind durch Fußnoten gekennzeichnet.
2 Jerzy Sułek, Leiter der Abteilung Europa im polnischen Außenministerium, siehe Personen-
register mit Funktionsangaben.
3 Ryszard Wojtkowski, Kabinettsdirektor des Premierministers Polens (1983–1991), siehe Per-
sonenregister mit Funktionsangaben.
4 Gerhard Wagner, Österreichischer Botschafter in Polen (1989–1994), siehe Personenregister
mit Funktionsangaben.
5 Eva Nowotny, Mitglied des Kabinetts der Bundeskanzler Fred Sinowatz und Franz Vranitzky,
zuständig für Außenpolitik (1983–1992), siehe Personenregister mit Funktionsangaben.
6 Polen konnte dem Europarat am 26. November 1991 beitreten.
7 Siehe zur Pentagonale bereits Dok. 70, Anm. 5.
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Title
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Subtitle
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Editor
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 792
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99