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18.10.1990: Gespräch Mock – Schewardnadse Dok. 178
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Zu den bilateralen Beziehungen erwähnte er einen Brief Ryschkows5 an den
HBK über die wirtschaftliche Zusammenarbeit, mit dem wir uns eingehend
beschäftigten.
Die Erklärungen Gorbatschows und AM Schewardnadses zur Nahostfrage6
haben wir mit großem Interesse verfolgt, insbesondere den Hinweis auf die Not-
wendigkeit einer internationalen Konferenz unter der Ägide der VN. Auch der
Mitterrand-Plan7 gehe in dieselbe Richtung und habe zu recht große Aufmerk-
samkeit erweckt.
AM Schewardnadse äußerte zunächst zur Deutschlandfrage seine Befriedi-
gung darüber, daß es gelungen sei, eine widersprüchliche Entwicklung des inner-
deutschen Prozesses gegenüber der Regelung der äußeren Aspekte zu vermeiden.
Nachdem die Deutschlandfrage gelöst sei, müßte die neue politische Ordnung
analysiert und auch Verträge, die obsolet geworden seien, sollten besprochen wer-
den. Er gehe davon aus, daß hinsichtlich der Beibehaltung der grundlegenden
Artikel des Staatsvertrages Einigung bestehe; hinsichtlich einzelner Artikel, die
obsolet geworden seien, sei die Sowjetunion zu offiziellen Konsultationen bereit,
um in freundschaftlicher Atmosphäre nach einer Lösung zu suchen. Bisher seien
ja lediglich inoffizielle Kontakte in dieser Frage erfolgt.
Schewardnadse räumte ein, daß der Übergang zu einem völlig neuen wirt-
schaftlichen System in der Sowjetunion ein „schmerzhafter Prozeß“ sei und
dankte für die österreichische Unterstützung.
In der Nahostfrage könne er keine neuen Konzeptionen anbieten. Der sowje-
tische „approach“, sei es, im Rahmen der bereits angenommenen Resolutionen
des Sicherheitsrates8 weiterzuarbeiten. Zwischen der Aggression gegen Kuwait
und dem palästinensischen Konflikt sehe er keine unmittelbare Verbindung. Die
einzig richtige Entscheidung zur Lösung der Kuwaitfrage sei die Räumung des
Landes durch den Irak. Parallel dazu sollten allerdings zunächst im Rahmen der
5 Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates Konsultationen über eine Lösung des
5 Der Brief konnte in den Akten der Politischen Sektion des BMAA nicht aufgefunden werden.
6 Am 3. August 1990 veröffentlichten die Außenminister Baker und Schewardnadse eine ge-
meinsame Erklärung, in der beide den Einmarsch irakischer Streitkräfte in Kuwait verurteil-
ten. Sie bekräftigten damit die Resolution 660 vom 2. August 1990 des UN-Sicherheitsrates.
Am 9. September 1990 folgte eine gemeinsame Erklärung der Präsidenten Bush und Gorba-
tschow, in der das vereinte Vorgehen bekräftigt wurde.
7 Mitterrand stellte am 24. September 1990 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen
einen Vier-Stufen-Plan zur Lösung der Kuwait-Krise vor. Im Gegensatz zu den Vorstellungen
der USA gingen die französischen Pläne nicht von einem sofortigen irakischen Truppenabzug
aus Kuwait aus. In einer ersten Phase sollten Geiseln freigelassen und eine Absichtserklärung
des Iraks für einen Truppenrückzug erreicht werden. In den folgenden Phasen sollte die inter-
nationale Staatengemeinschaft den irakischen Abzug aus Kuwait überwachen.
8 Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte nicht zuletzt aufgrund des sowjetisch-ame-
rikanischen Einverständnisses in dieser Frage zu diesem Datum neun Resolutionen zur An-
gelegenheit Irak-Kuwait angenommen. Es handelte sich um die Resolutionen Nr. 660–662, 664
–667, 669–670 die im Zeitraum vom 2. August bis 25. September 1990 beschlossen wurden
und den Abzug der irakischen Truppen forderten.
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Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Title
- Österreich und die deutsche Frage 1987–1990
- Subtitle
- Vom Honecker-Besuch in Bonn bis zur Einheit
- Editor
- Michael Gehler
- Maximilian Graf
- Publisher
- Vandenhoeck & Ruprecht Verlage
- Location
- Göttingen
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-666-35587-5
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 792
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Einleitung: Österreich und die deutsche Frage 1945–1990 7
- I. Vorbemerkungen 7
- II. Ausgangsbedingungen und Vorgeschichte: Von der „doppelten Staatsgründung“ zur Perpetuierung deutscher Zweistaatlichkeit (1949–1987) 11
- 1. Die Entwicklung bis zum Entscheidungs- und Zäsurjahr 1955 11
- 2. Gescheiterte Vermittlungsversuche (1958–1963) 19
- 3. Die Entwicklung bis zum Grundlagenvertrag 1972 23
- 4. Österreich, die europäische Integration und die Anerkennung der DDR im Zeichen der Entspannung (1961–1972) 28
- 5. Das Verhältnis Österreichs zu den beiden deutschen Staaten bis zum Bonn-Besuch Honeckers (1972–1987) 32
- III. Österreich und die deutsche Frage 1987–1990 38
- 1. Österreich und die scheinbare Stabilität des SED-Regimes 38
- 2. Die Grenzöffnung im Kontext der Langzeitentwicklungen und ihre direkten Folgen 43
- 3. Österreichs Annäherungen an das gemeinschaftliche Europa, die Bundesrepublik und die deutsche Frage 50
- 4. „Mauerfall“ und „Wiedervereinigung“: Die Haltung Österreichs bis Ende 1989 63
- 5. Österreich und die deutsche Frage Anfang 1990 75
- 6. Der Einigungsprozess und seine internationale Durchsetzung aus österreichischer Sicht 86
- 7. Österreichs Abschied von der DDR 92
- 8. Österreich, die deutsche Einheit und der Weg nach Europa – Bilanz und Ausblick 95
- IV. Editorische Vorbemerkungen 99