Page - 51 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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âSymbolspenderâ fĂŒr eine âamerikanischeâ Modernisierungâ65. Becker trifft eine
interpretatorische Rahmenerweiterung: Literarische Quellen mit ihrer âgera-
dezu unerschöpfliche[n] MetaphorizitĂ€tâ66 dienen ihm als diskursiver âInter-
ferenzraumâ67, in dem Koppelungen unterschiedlicher Spezialdiskurse möglich
scheinen. Durch das âEindringenâ68 des Sports in die Literatur gewinne der
âSpezialdiskurs âSportâ durch die Herstellung eines ĂŒbergeordneten Verwei-
sungszusammenhangsâ69 mit anderen Diskurs- und Praxisfeldern den Status ei-
nes Interdiskurses, der wiederum in andere Spezialdiskurse (wie Politik, Gesell-
schaft, Wirtschaft) einsickere, Spuren hinterlasse und Platz zu greifen beginne:
âFĂŒr die Intellektuellen der Neuen Sachlichkeit stellt der Sport diesen Bildraum
bereit.â70 Becker richtet seinen Blick schlieĂlich auch auf bauliche Manifesta-
tionen und âarchitektonisch-petrifizierte Formenâ71 wie GebĂ€ude und PlĂ€tze.
Stephanie Haerdle berĂŒcksichtigt in ihrer motivgeschichtlichen Diplomar-
beit Darstellungen von Boxsport und Boxsportlern in der Literatur der Weimarer
Republik als Quelle weitestgehend trivialliterarische Boxliteratur. Im Genre des
Trivialromans, so Haerdle, sei eine so kenntnisreiche wie âkritische Auseinan-
dersetzung mit [âŠ] Boxsport, BoxgeschĂ€ft, Boxkult und BoxanhĂ€ngernâ72 aus-
zulesen; die Kritik im Querschnitt setzte an den Vermarktungsstrategien und
der Ausbeutung der Boxer an.73 Das WechselverhÀltnis von Boxsportboom und
ökonomisch-politischer, ins individuelle wie ins kollektive SelbstverstÀndnis
eingesickerter Weimarer Dauerkrise betrachtet Haerdle aus allzu eingeeng-
tem Blickwinkel: Boxen wird im RĂŒckgriff auf das 1921 vom Schriftsteller und
Soziologen Heinz Risse formulierte Kompensationstheorem, wonach Sport
âReaktion auf das gesamte Systemâ74 und Surrogat mit besonderem semanti-
schen Potenzial sei, bei Haerdle zu einem âZeitphĂ€nomen der Weimarer Re-
publikâ75. Boxsport-Konjunktur und Faustkampf-Euphorie verwandeln sich im
Licht dieser Interpretation in SpiegelphÀnomene, in die der Weimarer Zeitge-
nosse willenlos verstrickt scheint. Als explizit âtrivialâ76 kategorisiert Haerdle
65 Ebd.
66 Ebd., S. 30
67 Ebd., S. 215
68 Ebd., S. 37
69 Ebd., S. 137
70 Ebd., S. 124
71 Ebd., S. 11
72 Haerdle 2003, S. 107
73 Vgl. ebd., S. 105f
74 Risse 1979, S. 20
75 Haerdle 2003, S. 17
76 Ebd., S. 25 51
Forschungsberichte:ï»ż
LĂŒckenhafteï»ż
Spurenlageï»ż
ï»ż |
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Title
- FAUST UND GEIST
- Subtitle
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Author
- Wolfgang Paterno
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Size
- 16.1 x 25.5 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂŒberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: LĂŒckenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und NebenschauplÀtze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten ErzÀhlliteratur 160
- âZeitfigurâ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440