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Schiffe ungefähr die Rolle spielten wie Torschüsse beim Fußball oder ‚Punkte‘
beim Boxen.“23 Auf den Zusammenbruch von 1918 und die „allgemeine Deso-
rientiertheit“24 folgt in Deutschland um 1924 eine „Stabilisierungsphase“25, die
vorübergehende Beruhigung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lage.26
Die Suche nach Authentizität und vernunftgemäßer Auseinandersetzung mit
der Wirklichkeit löst als ästhetisch-neusachliches Programm die avantgardis-
tische Aufgeregtheit des Expressionismus ab; ein populärer Schlager verkündet
1928, es liege Sachlichkeit in der Luft27, und eine viel gelesene Denkschrift
skizziert die neue genealogische Ordnung, wonach es sich bei Sport, Körperkul-
tur und Neuer Sachlichkeit um „Geschwister“28 handle. Das politisch-soziale
Stützwerk gerät jedoch spätestens ab 1929 durch Markteinbruch und Hyper-
inflation mit der Verelendung ganzer Bevölkerungsschichten, astronomisch
steigenden Arbeitslosenzahlen und der Angst vor sozialem Abstieg und Armut
in beunruhigendes Wanken.29 Am 27. März 1930 zerbricht zudem die letzte
Koalition aus Zentrum, SPD und liberalen Parteien; der Weg in die Phase der
Präsidialdiktatur ist vorgezeichnet. Das „Gefühl der Unsicherheit, Paranoia und
Verfolgungsangst“30 sickert tief ein in den Lebensalltag der, so Alfred Döblin,
„Republik ohne Gebrauchsanweisung“31; die Krisenhaftigkeit, von einer „Ku-
mulation Gewalt begünstigender Konstellationen“32 und dem Kampf ums tägli-
che Brot geprägt33, scheint ein für alle Mal von den Spannungsverhältnissen in
Politik, Kultur und Gesellschaft bestimmt; die gesellschaftliche Ordnung findet
sich auf dem „Kampffeld zwischen den Kräften der Demokratisierung und der
Gegenmoderne“34 wieder. Kulturkonservative Theoretiker, dem aufkeimenden
Parlamentarismus und dessen Methoden der Konsensfindung und des Kom-
promissdenkens abgeneigt, entwerfen bereits zu einem frühen Zeitpunkt rück-
wärtsgewandte Visionen vom wölfischen Menschen. Nur so, behauptet Ernst
Jünger 1926 im Vorwort von Aufmarsch des Nationalismus, eines politischen Ma-
nifests seines Bruders Ernst Georg, könne ein „neuer stahlharter Schlag des
23 Haffner 2014, S. 21
24 Krockow 1958, S. 5
25 Lethen 1995, S. 377
26 Vgl. Metzger 2006, S. 159f
27 Vgl. Kolb 2002, S. 98
28 Graeser 1927, S. 7
29 Vgl. Peukert 1987, S. 267
30 Kaes 1983, S. XL.
31 Döblin 1972, S. 100
32 Mai 2001, S. 13
33 Vgl. Koch 1988, S. 33
34 Maase 2007, S. 115
56 | Teil
I.
Zeitzeichen
Boxen
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Title
- FAUST UND GEIST
- Subtitle
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Author
- Wolfgang Paterno
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Size
- 16.1 x 25.5 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440