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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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historischen Wirklichkeit“33 einer „technischen, praktischen, ökonomischen, so- zialen oder politischen Ordnung“34 zugehören. Nicht eine Seite wird auf Kosten der anderen profiliert oder negiert; auf die Spitze wird so nur die tendenzielle Idealisierung und Idolatrie der ohnehin bekannten Boxerprominenz getrieben, die der trivialliterarischen Inszenierung allein zur möglichst effektvollen nar- rativen Re-Inszenierung der Phänomene Kampf, Kraft und Körper dient. Die Figur des Faustkämpfers rückt dabei ins Zentrum kühner Projektionen. „Wurde nicht zehnmal, tausendmal mehr gedruckt von einem großen Boxer oder ei- nem Baseballspieler als von den sublimsten Werken des einsamen und erlese- nen Geistes?“35, fragt Paul Gurk in Berlin. Die Überbetonung des Körperlichen und Kämpferischen mündet ins Kultische; der nahezu umfassenden Präsenz, die sich das Boxen erobert, muss man sich fast gewaltsam entziehen. Ein Ingenieur flüchtet sich vor dem Stimmengewirr und der Hektik urbanen Lebens in Ernst Kleins Roman Kämpfer in die Abgeschiedenheit eines Etablissements: „Dort ist alles grell, lärmend, hier alles wie das Souper intime eines Taubstummen- klubs.“36 Es gebe hier, wird dem Erholungsbedürftigen von den Betreibern ehest versichert, „keine Nackttänze! Keine nackten Boxer!“37 Boxsport und Boxerfigur werden zu gesellschaftlichen Leitideen stilisiert, die helfen sollen, die Zeitge- nossen an die Ambivalenzen und Antagonismen der Moderne anzupassen; die Figur des Sportlers figuriert in den Unterhaltungsromanen als Projektionsfläche für schematisierte Identitätskonzeptionen, die von lebenspraktischen, ästheti- schen und technoiden Normen bestimmt sind: Das seit dem 18. Jahrhundert gepflegte Ideal der Ganz- und Vollkommenheit weicht dem diffusen Vorstel- lungsbild vom dynamisierten, methodisch durchtrainierten, die Moderne reprä- sentierenden Boxsportler.38 Das Motiv von dem gestrauchelten Boxhelden lässt sich da bestenfalls als eine Folge erzähldramaturgischer Konsequenz und als temporäre Abtönung eines nahezu normativ positiven Boxerbilds diagnostizie- ren, dem kein übergeordneter Zweck zugeordnet scheint. Von einer allzu ab- wertenden Negativstilisierung der Boxer schrecken die Autoren dieser Form des Erzählens geschlossen zurück: Der Mordanschlag, den der angehende Boxer in Das Erwachen des Donald Westhof begeht, dient dem Protagonisten geradezu als Sprungbrett, um ihn in die Sphären des Sports zu befördern.39 Der mit Boxen immanent verbundene Gedanke des Kriminellen wird diskursiv beispielsweise 33 Foucault 2002, S. 507 34 Foucault 2001, S. 901 35 Gurk 1980, S. 100f 36 Klein 1927, S. 25 37 Ebd. 38 Vgl. Gay 1987, S. 85ff 39 Vgl. Hollaender 1927, S. 235ff 123 Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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