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sind andererseits auszumustern: „Altes Eisen!“78 Im trivialliterarischen Boxer-
roman finden sich kolonnenweise solche Sätze und auf schnelle Aufwertung
– seltener Abwertung – zielende Metaphorisierungen. Kaum ein Autor scheut
den Zugriff auf Bilder des Metallischen, Harten, Unüberwindlichen. Daneben
wird die animalische Seite des Sportlerlebens betont. Der Kraftmensch im Ring
erscheint als Prototyp eines Athletentypus von geradezu viehisch-triebhafter
Angriffslust und fortwährender „Schaustellung von Aggression“79. Tiermeta-
phorik gelangt auf der einen Seite zum Einsatz, um die Bärenstärke und Ge-
fährlichkeit der Boxer zu betonen80; auf der anderen Seite werden die mit dem
Tierischen assoziierte Körperlichkeit und Gegenwärtigkeit zu Gleichnissen
jener Daseinsunmittelbarkeit modelliert, die der entfremdete Mensch wieder
zu erlangen sucht.81 Das Tierische im Boxer bildet sich in äußerlichen Attri-
buten ab. Die Augen sind kreisrund, erwacht im Sportler mit den „langen, an
den Urwald erinnernden Armen“82 jähe „tierische Wut“83, wie bei einem „wü-
tenden Tier“84: „Wirklich tierisch sah der Bursche aus. Ängstlich, rasend“85, so
wirkt der Boxer Tom in Der Mann am Faden im Kampf mit seinem Gegner
Karl Mart. „Wie ein gehetztes Raubtier, das keinen Ausweg mehr sieht und
nun verzweifelt zum Angriff übergeht.“86 In Athleten jagt Stephens, der Vater
des Boxers Tom King, Wanda Furcht ein. Die Bedrohungs- und Angstgefühle
werden durch Animalisches eingelöst: „Sie hatte das Gefühl, als läge ihr Haupt
im Rachen eines wildgewordenen Tieres. Eine Bewegung – und ihr Schädel
war zermalmt, ihr Antlitz zerfleischt. Sie spürte die rohe, ungebändigte Kraft
einer Natur, die jeder Vergewaltigung, jedes sinnlosen Verbrechens fähig war.“87
In Adolf Löfflers Gene-Tunney-Porträt Der bleichsüchtige Knabe Gene mutiert
der Boxer Harry Greb, ein Ringgegner Tunneys, zu einem der „schrecklichs-
ten Wesen der Schöpfung“88. Er war „stark und flink wie ein Tiger, verschlagen
wie eine Katze, selbstbewußt, draufgängerisch, roh und listig und scheute kein
Mittel, den Gegner in einen blutigen Klumpen Fleisch zu verwandeln“89. Der
78 Witte 1939, S. 10
79 Weinberg, Arond 1976, S. 257
80 Vgl. Haerdle 2003, S. 57
81 Vgl. Fischer 2001, S. 100
82 Löffler 1939b, S. 120
83 Hellwig 1931, S. 43
84 Ebd., S. 51
85 Ebd., S. 68
86 Ebd.
87 Wohlbrück 1921, S. 109
88 Löffler 1939a, S. 110
89 Ebd. 127
Kraft-
und
Körperkulte:
Boxsport-Mode
im
Unterhaltungsroman
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FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Title
- FAUST UND GEIST
- Subtitle
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Author
- Wolfgang Paterno
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Size
- 16.1 x 25.5 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440