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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Pròdromos Peter Altenbergs. Ein achtjähriges Mädchen trifft darin während eines Spaziergangs mit seiner Großmutter auf einen Straßenhändler, der bewegliche Blechfiguren feilbietet, die in „rasender Geschäftigkeit die Arme schwangen in Boxerhandschuhen infolge eines geheimnisvollen Mechanismus. Ideale Freit- urner und Boxer, ohne Unterlass. Merkwürdige Unermüdliche!“101 Die Groß- mutter weigert sich, ein Blechmännchen zu kaufen, worauf ein Fremder hin- zutritt, der dem Kind das Spielzeug schenkt. Großmutter und Mädchen sind überrascht, der Fremde überreicht dem Kind das Boxerfigürchen – das nun auf einmal als „Hampelmann“102 firmiert. Ein weiteres Beispiel für das Kippen von Affinität zu Abfuhr liefert Paul Kellers Roman Drei Brüder suchen das Glück, in dem die Söhne einer Geheimratswitwe während der Inflationszeit ums Überle- ben kämpfen. Die Erzählung über ein Ereignis in dem Zirkus Löwe und Elefant G.m. b.H.103 steht auf den ersten Blick so beispielhaft wie plakativ für die Schwie- rigkeit des Durchhaltens in Krisenzeiten; die Szene verdeutlicht aber auch den kritiklosen Umgang mit den metaphorischen Möglichkeiten des Boxens; in Drei Brüder suchen das Glück überschlagen sich die Bilder im Bericht über einen zir- zensisch inszenierten Boxkampf, den Kurt seinen Brüdern schildert: Es war großartig! Also stellt euch vor: der schmächtige englische Boxer-Feder- gewichtsmann, schreitet würdevoll als Löwe in die Arena, in einem löwengelben Trikot; ihm folgt in elefantengrauem Dreß unser Johann, der Schwergewichtler, in Schritt, Haltung und Zuschnitt durchaus Elefant. Das Publikum atmet kaum vor Spannung. Eine halbe Minute lang stehen die beiden Bestien still und stumm sich gegenüber, sehen sich nur feindlich an. Auf einmal brüllt der Löwe auf, der Ele- fant stößt als Antwort ein furchtbares Trompeten aus. Das Publikum fiebert. Und nun geschieht etwas Sensationelles. Der Löwe bückt sich zusammen, macht einen fabelhaften Sprung von mindestens zwei Metern, sitzt dem Gegner am Halse und haut ihm die Pranke so an den Schädel, daß dem Elefanten der Rüssel blutet. Wie aus einer Dachtraufe schießt das Blut. Das war erhaben; das könnt Ihr glauben! Das Publikum brach in begeisterten Beifall aus. Aber der Elefant hatte den Tatzenhieb des Löwen übelgenommen, er erfaßt den Gegner, wirft ihn meterhoch über den Kopf, wendet sich blitzschnell, soweit sich ein Elefant blitzschnell wenden kann, will den Löwen zerquetschen, wirft sich auf ihn mit seiner ganzen Zentnerlast. Der Löwe liegt auf dem Bauche. Ihn auf den Rücken zu wälzen, gelingt dem Elefan- ten nicht. Im Gegenteil! Der Löwe boxt von unten ausgezeichnet. Seitenaufreißer grandioser Art, vor allen Dingen aber landet er Treffer auf die Rückseite des auf 101 Altenberg 1906, S. 99 102 Ebd. 103 Keller 1929, S. 216 130 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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