Page - 135 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Koloß“156, taxiert: Das „Material“157 sei gut, ist der Trainer entzückt, der seinen
Schützling Franken zugleich auffordert: „Dann danke deinem Schöpfer, Brüder-
chen, daß du in meine Hände geraten bist.“158 Mit mechanisierten Körperattri-
buten versehen, werden die Boxer zu Musterbildern der Moderne verklärt. Hans
Breitensträter erscheint bei Hermann von Wedderkop im Querschnitt als ein
„mechanisiertes Wunder“159, ausgestattet mit den wesentlichen Attributen von
Schönheit und Kraft; als hochglanzpolierte Maschine von stumpfer Gewalt-
möglichkeit: „Hans wird gerufen und kommt, ein fester Ball, […] die Treppe
herunterkugelnd, ins Zimmer herein.“160 Maschinenartiges, mechanisches
Leistungsvermögen sowie alltagskulturelle und -praktische Muster bestimmen
das Bildfeld des trivialliterarischen Boxens mit. Im trainierten Sportler, der die
„Muskeln seines vollendet schönen Körpers“161 spielen lässt, findet selbstredend
ein „derartig harmonisches Zusammenwirken aller Muskeln“162 statt, dass „jeder
Eindruck von Schwere oder massiver Körperlichkeit“163 verloren geht; „gleich
einem wohlgeölten, präzisen Mechanismus“164, einer „Muskelmaschine“165, ei-
ner unbezwingbaren, mit „eiserner Ruhe“166 gepanzerten „Kampfmaschine“167
von „unheimlicher Präzision“168. Der Mensch löst sich unter der Last des Ma-
schinellen förmlich auf: „Die Maschinenmetapher markiert damit eine Grenze
der Metaphorizität überhaupt, da hier letztlich nichts mehr ,übertragen‘ wird,
sondern Identität zwischen den Anwendungsfeldern herrscht. Die sogenannte
,Mechanisierung des Weltbildes‘ verwirklicht sich als Naturalisierung der Ma-
schinen.“169 Das Spezialistentum des zweckmäßig-funktionellen Agierens
scheint daneben im Boxer personifiziert. Der Pugilist mit „Knochengerüst aus
Eisenstahl“170 ist imstande, den „Schlag eines Dampfhammers“171 zu ertragen;
156 Wohlbrück 1921, S. 341
157 Schievelkamp 1920, S. 63
158 Hollaender 1927, S. 252
159 Wedderkop 1921, S. 137
160 Ebd.
161 Wohlbrück 1921, S. 312
162 Witte 1939, S. 65
163 Ebd.
164 Wohlbrück 1921, S. 312
165 Hellwig 1931, S. 123
166 Sigleur 1940, S. 103
167 Witte 1939, S. 14
168 Wohl 1927, S. 66
169 Remmele 2008, S. 224
170 Löffler 1939a, S. 109
171 Ebd. 135
Kraft-
und
Körperkulte:
Boxsport-Mode
im
Unterhaltungsroman
|
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Title
- FAUST UND GEIST
- Subtitle
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Author
- Wolfgang Paterno
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Size
- 16.1 x 25.5 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440