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Übungsmethoden erwecken die Assoziation von Folter: Der Boxer Pleß wird
während der Kampfvorbereitung in Verliebtsein ausgeschlossen an einen Holz-
pfahl geknotet und muss sich der Stöße und Schwinger seines Trainers Krell so
gut wie möglich erwehren:205
Richtiges Boxen konnte man das nicht nennen, denn wenn jemand beide Arme
auf den Rücken gebunden werden, wenn auch die Beine unbeweglich an einem
Holzpfahl festgeschnürt sind, dann kann man nicht richtig boxen. Nur Kopf und
Oberkörper konnte Anton Pleß jetzt bewegen. […] Es gab nur eine Möglichkeit
für Pleß sich dieser Stöße und Schwinger zu erwehren, er mußte ihnen mit Kopf
und Schultern blitzschnell ausweichen. Und da er es nun tausendmal geübt hatte,
so wich er instinktiv aus, ohne darüber nachzudenken, obwohl Krell alles Mögliche
tat, um ihn zu täuschen.206
Exerzitien des Durchhaltens, untermischt mit spezifischen kathartischen Mo-
menten, prägen auch in Theo boxt sich durch den einer Tortur ähnlichen Übungs-
verlauf:
Theo mußte die Hände jeden Tag eine halbe Stunde in eine rote Flüssigkeit ste-
cken, die die Haut zäh und dick machte, dann mußte er ständig gegen einen harten
Sandsack boxen. Das schmerzte anfangs fürchterlich, aber mit der Zeit bildeten
sich davon richtige Hornhäute an den Knöcheln. Theo bemerkte mit Genugtuung,
wie er nach dieser Kur die Hände rücksichtslos gebrauchen konnte, als wären es
Holzklötze oder Backsteine.207
Die Lebensführung eines Boxers 14 Tage vor einem Kampf, resümiert Ludwig
von Wohl in Der große Kampf, sei „genauer geregelt, als das Hofzeremoniell des
Königs von Spanien!“208
Als Drittes sind in den Unterhaltungsromanen, in denen Trainingsroutinen
ausgeführt sind, die Bereiche Selbstdisziplin und Askese angelegt. Die Trai-
ningsführung wird einer konsequenten Methodik unterworfen. Der Boxer muss
„schrecklich geregelt leben, abstinent, und was nicht noch alles, um ein Cham-
pion zu werden“209, er muss geradezu als „Mönch leben, nicht kneipen, nicht
205 Vgl. Witte 1939, S. 24
206 Ebd.
207 Nohara o. J., S. 39f
208 Wohl 1927, S. 21
209 Barnes 1985a, S. 72
140 | Teil
II.
Im
Moderne-Labor
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Title
- FAUST UND GEIST
- Subtitle
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Author
- Wolfgang Paterno
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Size
- 16.1 x 25.5 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440