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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Box-Kampf das Stakkato und den Rhythmus zeitgenössischer Zeitungsmeldun- gen zum Boxen. Eine Literatur, deren Absicht es ist, sozial-, alltags- und kultur- geschichtliche Blicke auf das Boxen zu werfen, bezieht in Anlehnung an Michel Foucault auch mentale Dispositionen mit ein und stellt diese zur Verfügung, indem sie durch die Formatierung eigenwilliger Zerrbilder auf konfektionierte Bildprogramme aufmerksam macht. Ringelnatz liefert dafür in Box-Kampf ein Beispiel; Kock liegt am Boden und erhebt sich wieder, Käsow vor den Fäusten: „Richtet sich abermals uff. / Ob dann der Käsow den Kock haut, / Oder ob er das vollzieht, / Ob es im Bauchstoß, im Knock-out / Oder von seitwärts ge- schieht – / Kurz:  Es verlaufen die heit’ren / Stunden wie Kinderpipi.“406 Ringel- natz nähert sich dem Boxen aus parodistischer, Komik generierender Distanz. Er fügt dem „Knock-out“407 in dem Text zusätzlich eine Fußnote an, die sich für den vom Boxen fanatisierten Zeitgenossen wohl als signalhafte Überflüssigkeit erweist. Der Niederschlag im Boxsport sei, verkündet der Autor oberlehrerhaft, wie „nock, wie Butternockerlsuppe“408 zu prononcieren – boxkämpferische Brachi- algewalt im Kleid einer Küchenplauderei. Nach Möglichkeit wird in Box-Kampf auf die „Termini technici“409 des sportiven Tuns verzichtet; die Fachsprache des Boxens, in der sich bisweilen Maschinenmetaphern, behavioristische Kompo- nenten und Auswucherungen vager Sportideen zu Lebensmaximen mischen, präsentiert Ringelnatz in beschleunigter Wiedergabe, welche die Banalität, Glo- rifizierung und Brutalität des Boxens einmal mehr verdeutlicht. Das Finale von Box-Kampf berichtet davon: „Und es endet zuletzt / Reizvoll, wie es beginnt:  / Kock wird tödlich verletzt. / Käsow aber gewinnt. / Leiche von Kock wird be- deckt. / Saal wird langsam geräumt. / Käsow bespült sich mit Sekt.“410 Anzuz- weifeln ist, ob die Coda von Box-Kampf tatsächlich, wie Franz Josef Görtz in der Studie Dichter, übt euch im Weitsprung feststellt, „überraschend ins Poetische“411 spielt und ob dabei selbst der „Verlierer kräftig Punkte“412 macht. Kock, der vom Leben in den Tod beförderte Kämpfer aus Kanada, wird im Schlussteil von Box- Kampf viel eher mit einem irrationalen, den gesamten Duellverlauf prägenden Moment in Verbindung gebracht, das ins Surreale tendiert. „Leiche aus Canada träumt:  / Boxkampf – / Boxer – / Boxen – / Boxel – / Boxkalf – / Boxtrott – / Boxtail –.“413 Das Spiel mit Buchstaben und Worten, der sinnentstellende Sil- benwechsel, den Ringelnatz nur bei flüchtiger Betrachtung wie einen „Schlagab- 406 Ebd., S. 97 407 Ebd. 408 Ebd. (Hervorh. im Orig.) 409 Ebd. 410 Ebd. 411 Görtz 1996, S. 348 412 Ebd. 413 Ringelnatz 1984c, S. 97 223 Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂĽberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: LĂĽckenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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