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Weitere diskursive Anordnungen stellen die âarchitektonische Einrichtun-
genâ204 und die Berichte ĂŒber das âals undurchschaubar wahrgenommene Ge-
flecht ökonomischer [âŠ] Verwickeltheitenâ205 dar. Musil vermeidet es auch hier,
sich in den vorgegebenen Bahnen der Boxpoetisierung zu bewegen. Das Stadion
bildet einen âKernpunkt des urbanen Sportsâ206; es eröffnet als institutionali-
sierte StÀtte des Körperkults neben dem Kino einen weiteren Ort zur Etablier-
ung von âStimmungs-Kanonadenâ207. Insbesondere die Arena mit Ringmit-
telpunkt etabliert sich als ein Faktor des urbanen Lebens. âAls Andockstellen
stehen [âŠ] deren steinern-stĂ€hlerne Monumente, die Stadien, zentral, die â in
ihrer baulichen SubstantialitĂ€t wie symbolischen Bedeutung â diese Sportkul-
turen reprĂ€sentieren und SportstĂ€dte charakterisieren.â208 Der architektonische
Rahmen dient der âStimulation der Beteiligtenâ209 und der Erzeugung temporĂ€r
abgezirkelter SolidaritÀt und HomogenitÀt; in der Arena scheint, als Zielpro-
jektion, die demokratisierte Gesellschaft rundenlang verwirklicht.210 âTausende
[âŠ] brĂŒllen, toben, klatschen, kreischen, fangen selbst an zu boxen.â211 Den
zentralen architektonischen Manifestationen der Athletik-Begeisterung â den
steil emporragenden Arenen, den âKathedralen des Sports [âŠ], deren Flutlicht-
masten wie KirchtĂŒrme in den Himmelâ212 streben, und den groĂflĂ€chigen, von
âamerikanisierte[m] Massensportâ213 in Beschlag genommenen SportplĂ€tzen â
steht Musil reserviert gegenĂŒber: Er lĂ€sst die literarische Rede ĂŒber das Boxen
auch in diesem Zusammenhang zwischen der âklaren Konstruktion des Begriffs
und dem optischen oder akustischen âGerĂ€uschâ pendeln â um des Pendelschlags
willenâ214.
âO, rĂŒhrende FrĂŒhzeit, als man noch nicht wuĂte, daĂ auf kontinentalen Ten-
nisplĂ€tzen kein Gras gedeiht!â215, nĂ€hert sich Musil in Als Papa Tennis lernte in
zeitlich retrospektiver Durchmusterung den architektonischen AusprÀgungen
der Sportgegenwart. Er kĂŒmmert sich dabei nicht um den Aplomb der Athletik
und die Darstellung der Sportarenen-Topografien; er nimmt das Sportgesche-
204 Foucault 2003, S. 392
205 FĂ€hnders 1988, S. 124
206 Marschik 2008, S. 130
207 Kracauer 2004, S. 208
208 Marschik 2008, S. 129
209 Bienert 1992, S. 129
210 Vgl. Marschik 2008, S. 130ff
211 Wagner 1973, S. 112
212 Marschik 2008, S. 139
213 Hermand, Trommler 1988, S. 76
214 Lethen 1995, S. 414
215 Musil 1978h, S. 686
328 | Teilï»ż
II.ï»ż
Imï»ż
Moderne-Labor
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Title
- FAUST UND GEIST
- Subtitle
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Author
- Wolfgang Paterno
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Size
- 16.1 x 25.5 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und KapitelĂŒberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: LĂŒckenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und NebenschauplÀtze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten ErzÀhlliteratur 160
- âZeitfigurâ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440