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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Schlagtraumata und eingedrillten Körpermechanismen. Sport im Allgemeinen zeichnet sich für Musil durch regelrechte „Geistesabwesenheit“315 aus. Die in Musils Augen fragwürdige Dominanz des Körperlichen über das Geistige kon- tert er in Kunst und Moral des Crawlens mit spöttischer Pointe aus: Sondern was bei Tier und Mensch stattfindet, ist bei schnellen Handlungen ein geschichtetes Ineinandergreifen von artmäßig und persönlich festgelegten Verhal- tensweisen, die beide fast mechanisch auf äußere Reize „ansprechen“, dazu eine vorausgestreckte Aufmerksamkeit, die auf ähnliche Weise das schon bereitstellt, was in der nächsten Phase in Anspruch genommen werden wird, und schließlich ein dauerndes, völlig unbewußtes Anpassen der vorgebildeten Reaktionsformen an das augenblicklich Erforderliche: auch ein Mensch vollführt die verwickeltsten Handlungen ohne Bewußtsein, ohne Geist, woraus man ja vielleicht auch schließen darf, daß die Rolle des Geistes nicht die ist, eine im Sport zu spielen.316 Für den entfesselten Sinnestaumel findet Musil auch im Mann ohne Eigenschaf- ten bemerkenswerte Bilder. Dem Körper-Geist-Chaotischen folgt er bis in des- sen Verästelungen: Im Augenblick der Tat sei es dann auch immer so, beschrieb Ulrich: die Muskeln und Nerven springen und fechten mit dem Ich; dieses aber, das Körperganze, die Seele, der Wille, diese ganze, zivilrechtlich gegen die Umwelt abgegrenzte Haupt- und Gesamtperson wird von ihnen nur so obenauf mitgenommen, wie Europa, die auf dem Stier sitzt, und wenn dem einmal nicht so sei, wenn unglücklicherweise auch nur der kleinste Lichtstrahl von Überlegung in dieses Dunkel falle, dann mißlinge regelmäßig das Unternehmen. – Ulrich hatte sich in Eifer geredet. Das sei im Grunde, – behauptete er nun – er meine, dieses Erlebnis der fast völligen Entrückung oder Durchbrechung der bewußten Person sei im Grunde verwandt mit verlorengegangenen Erlebnissen, die den Mystikern aller Religionen bekannt gewesen seien, und es sei sonach gewissermaßen ein zeitgenössischer Ersatz ewiger Bedürfnisse, und wenn auch ein schlechter, so immerhin einer.317 315 Fleig 2008, S. 149; Musil notiert in Heft 21 der Tagebücher, er wolle die „Festung Ich“ schleifen, vgl. Musil 1976b, S. 1148 316 Musil 1978g, S. 698 (Hervorh. im Orig.) 317 Musil 1989a, S. 29; Norbert Christian Wolf macht in Kakanien als Gesellschaftskonstruktion auf die spezifische Rolle von Ulrichs Zuhörerin Bonadea aufmerksam: Ulrichs Geliebte, so Wolf, sei ebenfalls in „Seelenzustände“ gespalten, die nur um den „Preis eines atavistischen Irrationalis- mus zumindest oberflächlich homogenisiert werden können“, vgl. Wolf 2011, S. 668 341 Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Title
FAUST UND GEIST
Subtitle
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Author
Wolfgang Paterno
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2018
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Size
16.1 x 25.5 cm
Pages
446
Keywords
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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