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Es handelt sich also dabei niemals um die Einübung durch mechanische Wieder-
holung, sondern um Organisierung von Impulsen, durch die umständliche Re-
aktionen vereinfacht, dann mechanisch gemacht, und dann zu höheren Gruppen
zusammengeordnet werden, die einem einheitlichen Impuls gehorchen.469
Psychotechnische Optimierung zielt letztlich auf Umsetzung: „Die Praxis stellt
eine Frage, welche psychologische Komponenten enthält; es sei nun, daß es sich
um die Eigenschaften eines Menschen handelt, die untersucht und beeinflußt
werden sollen oder um die Ermittlung der psychologisch günstigsten Form ei-
ner menschlichen Leistung und des dazu benützten Werkzeugs.“470
Mach und Lewin: „Drinnen und Draußen“
Ernst Machs Kritik kausalmechanischer Körper-Geist-Relationen und Kurt
Lewins Versuche, menschliches Verhalten formelhaft lesbar zu machen471 –
um so auf einen „riesige[n] Kontinent voller Bezauberung und Macht und voll
weiter Landstriche“472 vorzudringen, „ die noch kein Fuß betreten hat“473 –,
beschäftigen Musil ebenfalls ungemein. „Es gibt keine Kluft zwischen Psychi-
schem und Physischem, kein Drinnen und Draußen, keine Empfindung, der ein
äußeres von ihr verschiedenes Ding entspräche“474, notiert Mach in der 1900
publizierten Untersuchung Analyse der Empfindungen und das Verhältnis des
Physischen zum Psychischen, die sich zum Ziel setzt, den klassischen Dualismus
von Körper und Geist, „von rein biologischen und rein geistigen Kräften, die
unverbunden einander gegenüberstehen“475, in Konsonanz zu bringen: „Es gibt
nur einerlei Elemente, aus welchen sich das vermeintliche Drinnen und Drau-
ßen zusammensetzt, die eben nur, je nach temporärer Betrachtung drinnen oder
draußen sind.“476 Farben, Töne, Räume und Zeiten seien, so Mach, „in man-
nigfaltiger Weise miteinander verknüpft, und an dieselben sind Stimmungen,
Gefühle und Willen gebunden“477; das Ich sei, schließt Mach, über dessen Werk
469 Ebd., S. 192; Christoph Hoffmann hat darauf hingewiesen, dass Musil an dieser Stelle seines
Essays Münsterberg zitiert – allerdings ohne entsprechenden Hinweis, vgl. Hoffmann 1997, S.
262
470 Musil 1980, S. 183
471 Vgl. Ehmig, Richter 2008, S. 32; Marrow 2002, S. 67 u. 72f
472 Lewin 1982, S. 42
473 Ebd.
474 Mach 2008, S. 287 (Hervorh. im Orig.)
475 Baur 1976, S. 146
476 Mach 2008, S. 287 (Hervorh. im Orig.)
477 Ebd., S. 12
360 | Teil
II.
Im
Moderne-Labor
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Title
- FAUST UND GEIST
- Subtitle
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Author
- Wolfgang Paterno
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Size
- 16.1 x 25.5 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440