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nach „athletischer Vorbereitung des Körpers“644 erklären? „Das hing zusammen
wie das Dickicht eines Baums, das den Stamm selbst verdeckt“645, lenkt Musil
die Aufmerksamkeit in seiner Antwort auf komplexe Relationsverhältnisse, bis
in die Metaphorik hinein: Ulrich konnte nicht sagen, wann sein Leben „in das
Zeichen des Baums des harten Gewirrs getreten war“646. Boxsportliche Grob-
schlächtigkeit und Liebe – diese polaren Bereiche lässt Musil in dem Bemühen,
Widersprüche zu verknüpfen, Ulrich nach dessen Erwachen aus der momen-
tanen Bewusstlosigkeit des Straßenkampfverlierers bereits auch auf den ersten
Seiten des Romans sagen: Boxen und Liebe seien also „nicht weiter von einan-
der entfernt […] als der eine Flügel eines großen bunten stummen Vogels vom
andern“647. Jede Form schlicht konstruierter Dichotomie wird hier buchstäblich
in einem Rätsel- und Denkbild zum Schweigen gebracht. Die Bildlichkeit des
Entlangtaumelns an den Seilen im Boxring und des anschließenden Niederbre-
chens des Boxers dient Musil wiederum zur Illustration von Ulrichs kurz zuvor
erlittenem, rasch vorbeiziehendem Selbstverlust im Streit mit den drei Schur-
ken, bei dem sich Physisches im Psychischen und Physiologischen niederschlägt
und sich in „entschwebenden Spiralen des Bewußtseinsverfalls“648 manifestiert:
Denn als ihn nun der erste ansprang, flog er zwar zurück, da ihm Ulrich mit einem
Schlag aufs Kinn zuvorgekommen war, aber der zweite, der blitzschnell danach
hätte erledigt werden müssen, wurde von der Faust nur noch gestreift, denn inzwi-
schen hatte ein Hieb von hinten mit einem schweren Gegenstand Ulrichs Kopf
beinahe zersprengt. Er brach ins Knie, wurde angefaßt, kam mit jenem fast unna-
türlichen Klarwerden des Körpers, das gewöhnlich dem ersten Zusammenbruch
folgt, noch einmal hoch, schlug in die Wirrnis fremder Körper und wurde von
immer größer werdenden Fäusten niedergehämmert.649
Im boxerischen Alarmzustand des drohenden Ich-Verlusts gewinnt der Konditi-
onalzustand des Halbbewussten und vage Konturierten an Bedeutung. Als Pro-
pagandist der psychotechnischen Entgrenzung und der Erhebung des Menschen
in den „Horizont der Möglichkeit einer anderen Wirklichkeit“650 weiß Musil
den modischen Konturierungen des Boxens mit seiner K.-o.-Teleologie auch in
diesem Zusammenhang nicht viel abzugewinnen. Im Mann ohne Eigenschaften
644 Ebd., S. 592
645 Ebd., S. 591
646 Ebd., S. 592
647 Ebd., S. 29
648 Ebd., S. 27
649 Ebd., S. 26
650 Fleig 2008, S. 215 379
Primat
der
Reflexion:
Musils
Reorganisation
des
Boxens
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FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Title
- FAUST UND GEIST
- Subtitle
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Author
- Wolfgang Paterno
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2018
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Size
- 16.1 x 25.5 cm
- Pages
- 446
- Keywords
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440