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zur Folge, sondern es gibt auch eine innere moralische
Belohnung und Strafe. Obwohl die Freuden des Himmels
wie die Schmerzen der Hölle sinnlich vorgestellt und aus-
gemalt wurden, so ist doch der Himmel das Reich des Guten,
die Hölle des Bösen und der Sinn folglich: Die Guten
werden im Guten belohnt, die Bösen im Bösen bestraft.1
Wenn man irgendwo in dem Glaubenssystem der frü-
hern christlichen Zeit den Gedanken der Unsterblichkeit des
Individuums als solchen, seiner individuellen Fortdauer
nach dem Tode im Sinne des modernen Zeitalters, enthal-
ten finden will, so kann man ihn nur finden in dem Glau-
ben an die Auferstehung der Leiber. Denn dieser Glaube
enthält eigentlich diesen Sinn, daß selbst der Leib, d. h.
das Individuum als Individuum, unsterblich sei. In der Na-
tur folgt der Schatten der Sache nach, in der Geschichte
aber geht der Schatten der Sache voran; ebenso in der
Kunst kommt nach dem Original die Kopie, in der Geschichte
aber die Kopie vor dem Original2. Der Glaube an die
Auferstehung war das Symbol, das rätselhafte3 Bild, der
Schatten von dem Glauben an die Unsterblichkeit des Indi-
viduums als solchen. Als daher die Geschichte, die alle
Rätsel löst und alle Geheimnisse offenbart, auch jenes
Rätsel lösete, als der Sinn jenes Glaubens für sich heraus-
trat und offenbar wurde, so verschwand der Glaube an
das Bild. Was diese Ansicht bestätigt, ist, daß selbst schon
in den heiligen Religionsbüchern des alten Zendvolkes
sich der Glaube an die Auferstehung der Leiber vorfindet.
Mit der christlichen Religion hängt aber wohl dem Geiste
nach keine Religion der alten Welt so sehr zusammen als
die der alten Parsen, denn sie ging allein von moralischen
Prinzipien aus, und wie die ganze altpersische Religion nur
ein lichtvolles, durchsichtiges Symbol war, ein Gedanke,
der Gedanke des Guten unter dem Symbole des Lichtes und
des Bösen unter dem Symbole der Finsternis, und in
Beziehung auf das Christentum die ganze altpersische
Religion selbst ein Symbol, ein Schattenbild'» der christ-
1 Der Himmel ist doch wohl . . . bestraft. Fehlt in B. In A
vor dem nächsten Absatz eine Leerzeile.
2 ; ebenso . . . Original Fehlt in B.
3 Fehlt in B.
4 Symbol. . . Schattenbild: Bild B
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften