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und in dieser Erinnerung und Besinnung das Bedürfnis
in sich erwecke, anderswo als in seiner eignen Individuali-
tät und 1 dem Glauben an seine eigne Unsterblichkeit und
Unendlichkeit die Quelle des Lebens und der Wahrheit,
den Bestimmungsgrund seiner Handlungen und die Stätte
des Friedens zu suchen. Nur wenn der Mensch wieder er-
kennt, daß es nicht bloß einen Scheintod, sondern einen
wirklichen und 2 wahrhaften Tod gibt, der vollständig das
Leben des Individuums schließt, und einkehrt in das
Bewußtsein seiner Endlichkeit,3 wird er den Mut fassen,
ein neues Leben wieder zu beginnen und das dringende
Bedürfnis empfinden, absolut Wahrhaftesund Wesenhaftes,
wirklich Unendliches zum Vorwurf und Inhalt seiner
gesamten Geistestätigkeit zu machen.4
5Wahre Religion, wahre Demut, wahre und vollständige
Ergebung und Versenkung in Gott ist nur dann möglich,
wenn der Mensch den Tod als einen wahrhaften, wirklichen
und vollständigen Tod anerkennt. Die ganze pietistische
oder moderne mystische Theologie beruht daher nur auf
einem Ballspiel.6 Das Individuum wirft sich nur weg7, um
von Gott sich wieder zugeworfen zu werden, es demü-
tigt sich nur vor Gott, um in ihm sich selbst widerzu-
spiegeln, sein Selbstverlust ist Selbstgenuß, die Demut
Selbsterhebung; es taucht nur unter in Gott, um unver-
1 seiner . . . und Fehlt in B.
2 H gestrichen; statt dessen Komma.
3 und . . . Endlichkeit, Fehlt nur in B.
r' In B folgt Zusatz: Nur wenn er die Wahrheit des Todes an-
erkennt, den Tod nicht mehr verleugnet, wird er wahrer
Religiosität, wahrer Selbstverleugnung fähig werden. In H
Ergänzung nur angezeigt; entsprechendes Beiblatt fehlt.
5 In A bereits vor dem folgenden Abschnitt der Beginn des ersten
Kapitels mit I. angezeigt; fehlt in B, wo das folgende, vom vor-
hergehenden Absatz nicht einmal durch eine Leerzeile getrennt,
noch zu der Einleitung gehört. Entsprechende Streichung in II.
(Vgl. S. 203 vorliegender Ausgabe, wo in A das erste Kapitel
mit der Zwischenüberschrift I. Gott beginnt).
c Wahre Religion . . . Ballspiel.: Die Selbstverleugnung unsrer
modernen Theologie ist daher nur Schein, nur Spiel. B
7 Das Individuum . . . weg. In II ebenfalls gestrichen; die fol-
genden Seiten bis Schrein deines, (vgl. Seite 205, Fußnote S)
fehlen in H.
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften