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sondern auch als den wahren und wirklichen Anfang und
Grund deines Daseins anzuerkennen. Denn dein Dasein
ist nur möglich unter der Bedingung des Todes; obgleich
der Tod später erscheint, erst das Ende deines Lebens ist
und im Sinnlichen dem Leben nur nachzufolgen scheint,
so ist er doch nicht der Wahrheit nach a posteriori, sondern
vielmehr a priori, ist die vorausgesetzte und 1 vorangehende
Bedingung deines Daseins: Wie du durch den Tod aus dem
Dasein kommst, so kommst du auch nur durch ihn in das-
selbe. Ist denn nicht überall das Ende der wahre Anfang
der Sache? Ist nicht vielmehr das sinnliche Ende nur die
Erscheinung des wahren Anfangs? Entsteht dir nicht der
Begriff einer Sache erst mit ihrem Ende? Gehst du nicht
erst da, wo sie aufhört, in ihr Wesen hinein, ist der Same
des Menschen der wahre Anfang des Menschen, oder ist
nicht vielmehr das Ende des Samens, der Mensch, das
wahre principium und der Anfang des Samens? Der
Same ist ja nur möglich unter der Bedingung seines
Nichtseins, d. i . unter der Bedingung, daß er nicht Same
bleibt, sondern ein andres, als er ist, wird. Stellen nicht
schon selbst die räumlichen Dinge in ihrer Räumlichkeit
diese Wahrheit dar? Ist nicht die Endspitze dieses Feder-
messers auch der Anfang desselben? Wrenn du das Ende
zugleich als den Anfang erkennst und überhaupt nicht den
Tod vom Dasein absonderst, so wirst du auch in der Frage:
Wie kann denn aber Unendliches Grund des Endlichen
sein, wie kann denn aus dem absoluten Wesen, das ab-
solute Liebe, die selbständige Einheit aller Wesen ist,
Bedingtes, Besonderes, Bestimmtes hervorgehen?, keine
unüberwindliche Schwierigkeit mehr finden. Trennst du
von dem Entstehen des Endlichen das Vergehen des-
selben ab, vom Anfang das Ende, von seinem Sein sein
Nichtsein, gibst du dem Endlichen ein unüberwindliches,
ein reines und 2 absolutes Dasein, wie dem Unendlichen
selbst, so machst du dir freilich absichtlich und geflissentlich
jene Frage unauflöslich. Du machst das Endliche selbst
zum Unendlichen, sein Sein ist dir nicht ein gesetztes, ent-
sprungenes, in seinem Anfang endendes und vergehendes,
1 , die II
2 reines und II gestrichen
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften