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der Erinnerung, die nur die Erinnerung bestimmter Indivi-
duen vermöglichen, in der Erinnerung selbst aber ihren
Grund haben. Für die bestimmten Individuen, die getrennt
existieren, in Raum und Zeit außer- und nacheinander, ist
die Erinnerung an Geschichtliches notwendig eine mittel-
bare oder vermittelte; aber wie die Individuen selbst nicht
das Wesen, das WTahre, der Geist sind, so ist diese Vermitt-
lung nur eine Erscheinung von der Einheit und Allgemein-
heit der Erinnerung, gleichwie die Notwendigkeit, daß ich
nur durch einen andern bewußt werde, daß mein Bewußt-
sein nur ein mittelbares und vermitteltes ist, nur ein Be-
weis und Erscheinung der Einheit und Allgemeinheit des
Bewußtseins ist. Die Geschichte beruht auf einer absoluten
Einheit des Bewußtseins und der Erinnerung, auf der Ein-
heit des Geistes mit sich selber; die Einheit dem Wesen nach
ist dem Dasein nach, für die getrennt daseienden und be-
dingten Individuen, Vermittelung; aber die äußerlichen
Mittel und die Vermittlung ist nur möglich unter der Voraus-
setzung und auf Grund der unmittelbaren Einheit eines
allgemeinen Geistes und einer allgemeinen Erinnerung.1
Die Geschichte ist, wie 2 das Leben des einzelnen,3 ein un-
unterbrochner Erinnerungsprozeß, in dem der Geist die
Individuen, die selbständigen Existenzen in sich ver-
wandelt und so das, was sie an sich selber schon sind, Ob-
jekte seines Bewußtseins, nur verwirklicht. Ohne Tod ist
daher keine Geschichte und keine Geschichte ohne Tod4.
Die Geschichte ist das Bewußtsein, der Geist, das Wesen
selbst als Prozeß, in der Handlung, oder das Bewußt-
sein als Erinnerung. Das Individuum stirbt, weil es nur
ein sukzessives Moment in dem Erinnerungsprozesse des
Geistes ist, es stirbt nur in und an der Geschichte, weil es
ist ein Glied des geschichtlichen Ganzen. Die Menschheit,
weil ihr Prinzip ein Geist, ein Bewußtsein ist, ist nicht ein
1 Die Erinnerung — um nach dieser [vgl. Seite 345] . . . all-
gemeinen Erinnerung. Fehlt in B, wo mit dem folgenden Satz
der vierte Abschnitt des Kapitels Der geistige oder psycho-
logische Grund des Todes (siehe oben Seite 236 und Fuß-
note 2 dazu; vgl. auch S. 318, Fußnote 1) anfängt.
2 Die . . . wie: Wie B
3 In B folgt Zusatz: ist aber auch die Geschichte nichts als
4 keine . . . Tod: kein Tod ohne Geschichte B
Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften