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seine Seele, das Prinzip seines Lebens vergegenständlicht ;
indem aber sein Leben 1 Gegenstand2 geworden ist, so
hört ebendamit sein subjektives Für- und Insichsein, sein
Eigensein auf,3 es stirbt. Indem die Bestimmung Gegen-
stand der Wirklichkeit und Vorstellung wird, wird es selbst
ein selbstloses Objekt der Vorstellung.4 Das Vermögen des
Individuums zu etwas ist das Vermögen, wovon es lebt;
ist daher jenes Vermögen verwendet, aufgebraucht worden,
als Sache in die Existenz getreten, so ist auch das Vermö*-
gen zu leben verbraucht. Das innere Ziel des Menschen
ist auch das Ziel seines Lebens, das innere Maß auch das
Maß seines Daseins; die Bestimmung ist der Anfang und
der Schluß deines Seins. Unvernünftig ist es daher, von
dem innern Maß des Individuums sein Sein abzutrennen,
eine maßlose Dauer desselben anzunehmen und in dem
jenseitigen, d.i. zweck- und bestimmungslosen, Leben das
wahre Leben zu suchen. Das wahre Sein des Menschen ist
seine Bestimmung, sein Zweck, aber der Zweck ist Grenze
und Schranke, das Sein des Individuums ist daher not-
wendig, inwiefern es Zweck hat oder Zweck ist, Grenze.
Ein grenzenloses Sein ist ein unbestimmtes und zweckloses
Sein. Der Zweck sammelt und bringt zur Besinnung; die
notwendige Folge dieser Sammlung und Besinnung, dieser
Begrenzung ist der Tod. Jenes Leben daher, wo die In-
dividuen ewig existieren, folglich ohne Bestimmung, ohne
Zweck, ohne Maß und Ziel — denn hätten sie in sich eine
Bestimmung, in ihrem Wesen Grenze und Determination,
so müßte auch ihre Existenz eine determinierte, begrenzte
und endende5 sein —, jenes jenseitige Leben daher ist ein
Leben ohne Sammlung und Besinnung, ohne Vernunft und
Ernst, ein Leben zum Spiele und Scheine. Nur dann daher,
wenn nichts vor dem Tode des Individuums gesetzt ist,
muß noch etwas nach ihm (freilich nur für es selbst) gesetzt
werden und die komische Frage entstehen, ob nichts oder
etwas nach seinem Tode ist; nur6 dann, wenn die Geschichte
1 Wesen B
2 In B hervorgehoben.
3 In B Gedankenstrich statt des Konimas.
4 Indem die Bestimmung . . . der Vorstellung. Fehlt in B.
5 und endende Fehlt in B.
6 ist; nur: ist? nur A; ist? Nur B.
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften