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eine von der Existenz dieser bestimmten, gegenwÀrtigen
Individuen unabhÀngige Existenz habe, wenn er folglich
der Glaube ist 1, daà diese gegenwÀrtigen bestimmten
Individuen nicht unsterblich und unvergÀnglich, d. h. in
Wahrheit nicht die letzten Individuen sind, mit denen das
Wesen der Menschheit2 erschöpft und aus ist. Widrigen-
falls ist dein Glaube nicht ein Glaube an die Wesenhaftig-
keit und RealitĂ€t des Wesenhaften, sondern des EndĂŒchen
und dein Glaube an das ewige Leben ein Glaube an das
allerzeitlichste Leben. Die Zeit ist eine Tochter der Wahr-
heit, sie offenbart nur Natur, sie ist der Spiegel des We-
sens; sie tut keinem Dinge wehe und 3 etwas zuleide, es
vergeht nur in der Zeit, was im Wesen vergÀnglich ist, sie
lĂŒftet nur den Schleier im Tempel der Isis, ihr ganzer Akt
besteht in EnthĂŒllung. Sollen daher die gegenwĂ€rtigen,
vergehenden Individuen unsterblich sein, so ist jenes Leben,
in dem die isolierte Gegenwart, die gegenwÀrtigen Indivi-
duen ein absolut Letztes und Fixes sind, in dem also das
Zeitliche ewig, das VergÀngliche unvergÀnglich, die bestimm-
ten Personen absolutes Bestehen und Bleiben haben, so ist
jenes sogenannte ewige Leben daher nicht bloĂ zeitliches,
sondern höchst, absolut zeitliches, das allerzeitlichste, d. h.
unwahrste und endlichste Leben, der Superlativus aller
Zeitlichkeit und Endlichkeit4. Dieses Leben dagegen, das
du nur dieses5 Leben nennst, als wÀre es nur ein einzelnes,
ist absolutes, ewiges und unendliches Leben, denn in ihm
vergeht das Endliche, ist das Zeitliche nicht ewig. Ver-
gÀnglichkeit ist nur in diesem Leben, weil die Unendlich-
keit in ihm selbst ist. VergÀnglichkeit ist nur in der Un-
endlichkeit. Tod und Zeit sind selbst die Gegenwart der
Ewigkeit, der unendliche Geist in der Handlung.6 Dein
Unsterblichkeitsglaube ist7 nur wahr, wenn er der Glaube
1 habe, wenn . . . i s t : hat, glaubst folglich B
2 In B folgt Zusatz: und Geschichte
3 wehe und Fehlt in B,
4 , der Superlativus . . . Endlichkeit Fehlt in B.
5 In B hervorgehoben.
6 VergÀnglichkeit ist nur in diesem . . . der Handlung. Fehlt
in B.
7 In B folgt Zusatz: daher
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften