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oder fließendes ist. Denn das Bewegende ist der Gedanke;
aber die Welt ist phlegmatisch im höchsten Grade, be-
greift so außerordentlich schwer wie ein Böotier, ist so
wenig zum Denken organisiert und disponiert, daß sie,
wie der berühmte Arzt Boerhave, sechs Wochen lang keinen
Schlaf hat, wenn sie einmal über eine Materie ernstlich
nachdenkt, daß ein neuer Gedanke ihr den Kopf so heiß
und rot macht wie den Kamm eines kalekutischen Hahns,
wenn er zum Zorne gereizt wird, daß ihr das Blut nur so
in Strömen zur Nase herabfließt, wie es bei einem1 Ge-
lehrten in Boulogne der Fall war2, der, wenn er morgens
im Bette meditierte, heftiges Nasenbluten bekam. Oft erst
nach einem Zeitraum von Jahrhunderten, wo schon längst
der Stern aus dem Gesichtskreis ihres Daseins3 verschwun-
den ist, berühren seine Lichtstrahlen ihr blödes Auge.
Es ist darum sehr natürlich, daß sich der Geist in die
Schranken ihrer Borniertheit, die sie, um ihr eignes Elend
sich zu verhehlen, die Schranken der nüchternen Vernunft
nennt, ein für alle Mal nicht fügen und schmiegen kann.
Ihm ist im eigentlichen Sinne die Welt zu enge; sein un-
genügsames Wesen kann mit seinen die Unendlichkeit
umfassenden Wurzeln nicht da Fuß fassen, wo nur für
Korn, Kartoffel[n] und weiße Rüben hinreichender Boden
ist. Es geht ihm, wie dem Cartesius, der mit jener Un¬
entschiedenheit, die nicht ein Zeichen von Charakterlosig-
keit, sondern, im Gegenteil, von innerer sich selbst ge-
nügender Lebenskraft und -fülle ist, das ganze Gebiet der
Welt in Gedanken und in der Wirklichkeit durchschwei-
fend, so sehr er sich auch darüber hin und her besann,
doch für keine bestimmte Lebenssphäre sich entscheiden
konnte, sondern, freiwillig sich aus seinem Vaterlande
verbannend, um allen Verband sogar mit Freunden und
Verwandten aufzuheben, nur den Wissenschaften lebte;
es geht ihm wie dem Abbe Prevost, dem Verfasser des
trefflichen Romans „Manon Lescaut", der, von einer Woge
des Lebens zur andern geschaukelt, erst Jesuit, hierauf
Soldat, dann wieder Jesuit und wieder Soldat, auch nach
1 , wie . . . einem: wie jenem C
2 der . . . war Fehlt in C.
3 Gesichtskreis . . . Daseins: Reich der Wirklichkeit C
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Ludwig Feuerbach
Gesammlte Werke, Volume 1
(Gemeinfreie Teile)
- Title
- Ludwig Feuerbach
- Subtitle
- Gesammlte Werke
- Volume
- 1
- Editor
- Werner Schuffenhauer
- Publisher
- AKADEMIE-VERLAG BERLIN
- Date
- 1981
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.6 x 17.8 cm
- Pages
- 468
- Category
- Geisteswissenschaften