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Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
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Page - 17 - in Grundlegung zur Metaphysik der Sitten

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doch untrügliche Art zu belehren, so frage ich mich selbst: würde ich wohl damit zufrieden sein, dass meine Maxime (mich durch ein unwahres Versprechen aus Verlegenheit zu ziehen) als ein allgemeines Gesetz (sowohl für mich als andere) gelten solle, und würde ich wohl zu mir sagen können: es mag jedermann ein unwahres Versprechen tun, wenn er sich in Verlegenheit befindet, daraus er sich auf andere Art nicht ziehen kann? So werde ich bald inne, dass ich zwar die Lüge, aber ein allgemeines Gesetz zu lügen gar nicht wollen könne; denn nach einem solchen würde es eigentlich gar kein Versprechen geben, weil es vergeblich wäre, meinen Willen in Ansehung meiner künftigen Handlungen andern vorzugeben, die diesem Vorgeben doch nicht glauben, oder, wenn sie es übereilter Weise täten, mich doch mit gleicher Münze bezahlen würden, mithin meine Maxime, so bald sie zum allgemeinen Gesetze gemacht würde, sich selbst zerstören müsse. Was ich also zu tun habe, damit mein Wollen sittlich gut sei, dazu brauche ich gar keine weit ausholende Scharfsinnigkeit. Unerfahren in Ansehung des Weltlaufs, unfähig auf alle sich ereignende Vorfälle desselben gefasst zu sein, frage ich mich nur: Kannst du auch wollen, dass deine Maxime ein allgemeines Gesetz werde? Wo nicht, so ist sie verwerflich und das zwar nicht um eines dir oder auch anderen daraus bevorstehenden Nachteils willen, sondern weil sie nicht als Prinzip in eine mögliche allgemeine Gesetzgebung passen kann; für diese aber zwingt mir die Vernunft unmittelbare Achtung ab, von der ich zwar jetzt noch nicht einsehe, worauf sie sich gründe (welches der Philosoph untersuchen mag), wenigstens aber doch so viel verstehe: dass es eine Schätzung des Wertes sei, welcher allen Wert dessen, was durch Neigung angepriesen wird, weit überwiegt, und dass die Notwendigkeit meiner Handlungen aus reiner Achtung fürs praktische Gesetz dasjenige sei, was die Pflicht ausmacht, der jeder andere Bewegungsgrund weichen muss, weil sie die Bedingung eines an sieh guten Willens ist, dessen Wert über alles geht. So sind wir denn in der moralischen Erkenntnis der gemeinen Menschenvernunft bis zu ihrem Prinzip gelangt, welches sie sich zwar freilich nicht so in einer allgemeinen Form abgesondert denkt, aber doch jederzeit wirklich vor Augen hat und zum Richtmaße ihrer Beurteilung braucht. Es wäre hier leicht zu zeigen, wie sie mit diesem Kompasse in der Hand in allen vorkommenden Fällen sehr gut Bescheid wisse, zu unterscheiden, was gut, was böse, pflichtmäßig, oder pflichtwidrig sei, wenn man, ohne sie im mindesten etwas Neues zu lehren, sie nur, wie Sokrates tat, auf ihr eigenes Prinzip aufmerksam macht, und dass es also keiner Wissenschaft und Philosophie bedürfe, um zu wissen, was man zu tun habe, um ehrlich und gut, ja sogar um weise und tugendhaft zu sein. Das ließe sich auch wohl schon zum voraus vermuten, dass die Kenntnis dessen, was zu tun, mithin auch zu wissen jedem Menschen obliegt, auch jedes, selbst des gemeinsten Menschen 17
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Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
Title
Grundlegung zur Metaphysik der Sitten
Author
Immanuel Kant
Date
1785
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
70
Keywords
Philosophie, Vernunft, Aufklärung, Ethik, Kritik
Category
Geisteswissenschaften

Table of contents

  1. Vorrede 4
  2. Erster Abschnitt 9
    1. Übergang von der gemeinen sittlichen Vernunfterkenntnis zur philosophischen 9
  3. Zweiter Abschnitt 20
    1. Übergang von der populären sittlichen Weltweisheit zur Metaphysik der Sitten 20
    2. Die Autonomie des Willens als oberstes Prinzip der Sittlichkeit 48
    3. Die Heteronomie des Willens als der Quell aller unechten Prinzipien der Sittlichkeit 49
    4. Einteilung aller möglichen Prinzipien der Sittlichkeit aus dem angenommenen Grundbegriffe der Heteronomie 50
  4. Dritter Abschnitt 54
    1. Übergang von der Metaphysik der Sitten zur Kritik der reinen praktischen Vernunft. Der Begriff der Freiheit ist der Schlüssel zur Erklärung der Autonomie des Willens 54
    2. Freiheit muss als Eigenschaft des Willens aller vernünftigen Wesen vorausgesetzt werden 56
    3. Von dem Interesse, welches den Ideen der Sittlichkeit anhängt 57
    4. Wie ist ein kategorischer Imperativ möglich? 61
    5. Von der äußersten Grenze aller praktischen Philosophie 63
  5. Schlussanmerkung 70
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