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DAS BUCH ALS ECKPFEILER DER AUFGEKLÄRTEN ERZIEHUNG 61
Lehrer für Latein und Andreas Riedel als Lehrer der Mathematik.222 Riedel
ließ 1777 die „Histoire de l’astronomie“ von Bailly anschaffen,223 Zach eine
„Histori Medici“ für den Lateinunterricht224 bzw. wurden 13 Lire toscane
6 Soldi 8 Denari „vor den Blutarch“ ausgegeben.225 Mit Sicherheit handelt es
sich hierbei um die „Vite parallele“ von Plutarch – ein Werk, das Colloredo
wiederkehrend als Leselektüre des Erzherzogs erwähnt und das von Hohen-
wart minutiös in seinem Geschichtsunterricht durchgenommen wurde.226
Schließlich kann festgehalten werden, dass den jungen Erzherzogen ein
vielfältiger Zugang zu Büchern als Wissensvermittler eröffnet wurde. Sie
wurden als Basis für den Unterricht herangezogen und belebten dadurch
den Kulturtransfer. Die Werke, die dem Thronfolger aus der Privatbiblio-
thek zur Verfügung standen, wurden durch jene ergänzt, die man eigens für
den Unterricht angeschafft hatte. Ihre Aufstellung fanden sie vermutlich
in den Räumlichkeiten des Palazzo Pitti, die für die jungen Erzherzoge re-
serviert waren. Diese Form des Umgangs mit dem Medium Buch und die
vielfältige Lektüre übersteigt das rein bibliophile Interesse und belegt ein
intensives Leseverhalten in der höfischen Gesellschaft der Aufklärung, das
bereits ab der frühen Kindheit gefördert wurde.
einer höhern Stelle, die ich niemals gewünschen, allzeit verabscheut habe!“ vgl. Andreasen,
Friedrich Münters, 418. Aus Meister Hohenwarth’s Nachricht über die Geschichte, in wel-
cher Seine Kaiserliche Hoheit der Erzherzog Franz nach dem zu Anfange bewilligten Plane
bis Ende Mai 1784 ist unterrichtet worden, und über die Art, die bey diesem Unterricht ist
beobachtet worden, werden Werke wie Schmidts Geschichte der Deutschen, aber auch fran-
zösische Autoren wie Mably für die Lektüre genannt. vgl. ÖStA, HHStA, HausA, Familien-
akten 56, Konv. 24, ediert bei Wolfsgruber, Franz I, Bd. 1, 299–346.
222 Andreas Riedel (1748–1837) wurde 1779 von Kaiser Joseph und Maria Theresia zum Leh-
rer der Erzherzoge Franz und Ferdinand für das Fach Mathematik nach Florenz beru-
fen. Riedel ging 1790 mit Leopold nach Wien, welchem er politisch viel näher stand. Die
Divergenz der politischen Weltanschauung Kaiser Franz’ und seines ehemaligen Lehrers
gipfelte in der Verurteilung Riedels im Zuge der sogenannten Jakobinerprozesse der Jahre
1794/95. Aus dem Kreis der „Wiener Jakobiner“ wurde Franz Hebenstreit von Streiten-
feld zum Tode verurteilt und hingerichtet, Andreas Riedel erhielt eine Haftstrafe von 60
Jahren. Alfred Körner attestiert ein „übertrieben persönliche[s] Engagement des Kaisers
besonders gegen Riedel“, welcher im Gegensatz zu den anderen Verurteilten seine volle
Haftstrafe abbüßen musste, aber 1809 aus seiner Gefangenschaft fliehen konnte. Körner,
Riedel, 101.
223 Es gibt mehrere Werke von Bailly mit diesem Titel in unterschiedlichen Auflagen, vermut-
lich handelt es sich um Jean Sylvain Bailly, Histoire de l’astronomie moderne depuis la fon-
dation de l’école d’Alexandrie jusqu’a l’époque de 1782 (Paris 1779–1782). Vgl. Handbuch,
09.1783.
224 Titel nicht eindeutig zuordenbar, vgl. Handbuch, 03.1781.
225 Handbuch, 10.1778.
226 Wolfsgruber, Franz I., Bd. 1, 333f.
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Subtitle
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Authors
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 644
- Keywords
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630