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STATIONEN IM LEBEN EINES KAISERS ALS BIBLIOTHEKAR 75
Dies wird bereits durch den 1784 festgesetzten Stundenplan deutlich, wel-
cher an zwei Tagen der Woche eine Stunde für die Lektüre vorsah.273
Die Kammerrechnungen geben sehr genau Aufschluss über die Bucher-
werbungen. Die erste größere Rechnung wurde im August 1784 auf Gene-
raladjutant Rollin ausgestellt und beinhaltet Druckschriften mit Geset-
zestexten und Exerzierregeln,274 die von den beiden Generaladjutanten
durchgenommen wurden und für die der Erzherzog schriftliche Ausarbei-
tungen verfasste.275 Bei zwei weitaus umfangreicheren Rechnungen trat Ajo
Colloredo als Empfänger auf den Plan. Die offensichtlich für den Geschichts-
unterricht bestimmten Werke wurden in der Buchhandlung von Rudolph
Gräffer erworben. Ein Großteil davon war bereits für den Geschichtsun-
terricht von Hohenwart am florentinischen Hof zur Verfügung gestanden,
musste nun aber in Wien neuerlich angeschafft werden. Dazu zählen Hüb-
ners „Genealogische Tabellen“, Millots „Elemens d’histoire ancienne“, oder
der „Discours sur l’histoire ecclésiastique“ des Abbé Fleury.276 Unter den
neuangekauften Werken befanden sich einerseits österreichische Verfasser
wie Franz Ferdinand Schrötter mit seiner Österreichischen Staatsgeschichte
und deren Fortsetzung von Adrian Rauch. Johann Matthias Schröckhs eben
erst vollständig erschienene „Allgemeine Weltgeschichte für Kinder“ ist ein
Beleg für die neu entstehende Kinder- und Jugendbuchliteratur in der zwei-
ten Hälfte des 18. Jahrhunderts. An internationalen Autoren sind die „Ge-
schichte Kaiser Carls V.“ von William Robertson hervorzuheben, von dem
auch die „Geschichte von Amerika“ erworben wurde, oder David Humes
„Histoire de la maison de Stuart“.
Neben Colloredo, Lamberti und Rollin schaffen auch der Sprachmeis-
ter der böhmischen Sprache Johann Wenzel Pohl bzw. Johann Baptist von
Schloissnig Werke für den Erzherzog an. Erste Impulse für Bucherwerbun-
gen setzt also in Wien erneut das Erziehungsumfeld des Erzherzogs. Doch
der Impetus für den Aufbau einer Bibliothek geht 1785 vom Thronfolger
selbst aus, da Colloredo in seinem Tagebuch vermerkt: „den 19. [02.1785:] Er
[Franz] hat den Gedanken gefasset, sich eine Bibliothek zusamenzusezen,
ging mit den gedanken, wie Er solche rangiren, wie planen wolte. Er war
mehr beschäftiget mit dem äusserlichen, als aus was bücher Er solche zusa-
mensezen wolte.“277
273 Wolfsgruber, Franz I., Bd. 2, 10.
274 ÖStA, HHStA, HausA, Handarchiv Kaiser Franz 1, Rechnung s.d., Bei undatierten Rech-
nungen wird im Folgenden der Monat angegeben, in dem die Rechnung abgelegt wurde, in
diesem Fall der August 1784.
275 Wolfsgruber, Franz I., Bd. 2, 24.
276 ÖStA, HHStA, HausA, Handarchiv Kaiser Franz 1, Rechnung vom 04.09. und 02.12.1784.
277 ÖStA, HHStA, HausA, SB 74, alt 40/2, Tagebuch von Franz Graf von Colloredo-Wallsee,
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Subtitle
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Authors
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 644
- Keywords
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630