Page - 100 - in Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835 - Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
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VOM KAISER BIS ZUM
BIBLIOTHEKSADJUNKTEN100
Neben der Bezahlung der Hilfskräfte hatte die Privatbibliothek auch für de-
ren Verköstigung zu sorgen. Sechs Quittungen des „bürgerlichen Weinwirts
im Bürgerspital“ Anton Haßlmeyer sowie des „Oberkellners im Holzgewölb“
Johann Schober belegen, dass im Zuge der Evakuierungs- wie Retournie-
rungsarbeiten alleine 197 Maß Wein (= 277,94 Liter) angekauft und an die
schwer arbeitenden Männer ausgeschenkt worden waren.378
Durch den Sieg der alliierten Truppen bei Leipzig entging die Stadt Wien
1813 einer neuerlichen Besetzung. Der Großteil der 1809 aus der Hofbiblio-
thek entwendeten Werke wurde nach dem Sieg über Napoleon zwischen dem
19. und 21. September 1814 in Paris an eine von Franz I. bestellte Kommis-
sion von Fachleuten übergeben, die aus dem vierten Skriptor der Hofbiblio-
thek Bartholomäus Kopitar und, speziell für die entwendeten orientalischen
Handschriften, dem späteren österreichischen Gesandten bei der Hohen
Pforte, Franz Freiherr von Ottenfels-Geschwind, bestand. Die Herausgabe
der gestohlenen Kupferstiche verwehrte man vorerst mit der Begründung,
dass die mittlerweile eingebundenen Blätter nicht ohne Zerstörung der Ein-
bände herausgelöst werden könnten. Aufgrund Kopitars Beharrlichkeit wur-
den die Blätter dennoch herausgeschnitten und nach Wien zurücktranspor-
tiert. Lediglich 24 Kupferstiche konnten nicht aufgefunden werden. Am 10.
März 1815 wurde Kopitar vom Präfekten der Hofbibliothek Graf Ossolinski
beauftragt, den noch ausständigen Rest aus Paris nach Wien zu holen. Eine
neuerliche Einnahme der französischen Hauptstadt durch Napoleon ver-
hinderte dies jedoch. Nach erfolgter Verbannung Napoleons auf St. Helena
im Südatlantik konnte die Rückführung der noch fehlenden Bestände, die
Kaiser Franz I. während seiner Anwesenheit in Paris durchgeführt wissen
wollte, stattfinden.379 In dieser Zeit, von Mitte Juli 1815 bis Mitte Mai 1816
befindet sich auch Young in der Stadt. Dies bezeugt neben einem Vermerk
im Einnahmen- und Ausgabenjournal für 1815–1816380 auch ein von Youngs
Hand stammendes und mit „Paris le 9. Sept.bre 1815“381 datiertes Verzeichnis
mit zu erwerbenden Titeln für die Hofbibliothek. Ob sich Young vorrangig in
378 Die sechs Quittungen liegen unter den Belegen von 1813, sind jedoch nicht nummeriert. Zwei
von ihnen sind mit 6. November 1813 datiert. Der Wein wurde in drei Preisklassen, die sicher-
lich den Weinqualitäten entsprachen, angekauft: ein Eimer (= 44 Maß oder 56,58 l) und 44 Maß
zu 16 Kreuzern pro Maß, 100 ½ Maß zu je 24 Kreuzern und 12 ½ Maß zu je 48 Kreuzern.
379 Stummvoll, Nationalbibliothek, Bd. 1, 347–350.
380 FKBJ1815–1816 [im Anschluss an die Ausgaben für Juli 1815]: „Vom 15ten July 1815 an, als
dem Tage, in welchem ich in Folge Allerhöchsten Befehls, nach Paris abreisen mußte, bis
nach meiner Zurückkunft, und zwar bis 16t[en] May 1816 sind die Bibliothek-Rechnungen
von dem Scriptor Thein geführt worden.“
381 „Note des Livres, que le Soussigné a acheté à Paris par ordre de S. M. l’Empereur, pour la
Bibliothèque de la Cour imp.le roy.le à Vienne“ [ÖNB, Hausarchiv, 1510/1815]
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Subtitle
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Authors
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 644
- Keywords
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630