Page - 197 - in Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835 - Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Image of the Page - 197 -
Text of the Page - 197 -
DIE ERWEITERUNG 1812 UND DIE STELLUNG DER PRIVATBIBLIOTHEK IM BIBLIOTHEKSBAU 197
in dieser Periode des Wandels also, auch die Bauaufgabe „Bibliothek“ einen
radikalen Bruch in der Umsetzung zu erleben scheint.
Doch die Entwicklung in den Jahrzehnten vor und nach 1800 ist keines-
wegs so eindeutig, wie es auf den ersten Blick erscheint. Denn noch in den
1820er Jahren entstehen im habsburgischen Herrschaftsbereich monumen-
tale Bibliothekssäle, die in der Formensprache des Klassizismus den Typus
der barocken Saalbibliothek erneut aufgreifen. Bezeichnenderweise handelt
es sich dabei um Klosterbibliotheken (Schottenstift, Pannonhalma). Sequen-
tiell angeordnete Räume findet man hingegen bereits in Stiftsbibliotheken
des späten 18. Jahrhunderts. Die typologische Bandbreite wird mehr oder
weniger variieren, je nachdem welche Klassen von Bibliotheken und welche
geographischen Bereiche man in den Blick nimmt. Beispielhaft sei noch an-
gemerkt, dass in einem Entwurf für den Neubau der Universitätsbibliothek
in Göttingen aus dem Jahr 1769813 sowie in der 1785 fertiggestellten Biblio-
thek des Josephinums in Wien814 bereits frühe Beispiele der Magazinsbiblio-
thek realisiert sind, deren Prinzip 1816 von Leopoldo della Santa theoretisch
beschrieben werden sollte.815 Um es kurz zu machen: Der Bibliotheksbau
des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts weist offenbar eine Vielzahl an
ziemlich heterogenen zeitgleichen Phänomenen auf, aus denen der Entwick-
lungsprozess die für die Zukunft gültigen Lösungen erst selektieren sollte.
Dankenswerterweise existiert bereits eine Untersuchung zu privaten Bi-
bliotheksräumen in Wien aus der Zeit des späten 18. und frühen 19. Jahr-
hunderts, die all jene Beispiele rekonstruiert und analysiert, von denen sich
Überreste oder bildliche Darstellungen erhalten haben.816 Außer diesen gab
es noch eine Reihe weiterer bedeutender Privatbibliotheken, über deren da-
maligen Zustand und Lokalitäten wir nur aus schriftlichen Quellen unter-
richtet sind.817 Das vorhandene und von Pulle ausgewertete Material ist je-
doch ausreichend, um ein ungefähres Bild vom Stand der architektonischen
Umsetzung und Einrichtung privater Bibliotheksräume in Wien um 1800 zu
liefern. Ich fasse im Folgenden die wichtigsten Punkte zusammen.
Was zunächst auffällt, ist die Uneinheitlichkeit der einzelnen Lösungen,
die in allen denkbaren Modalitäten besteht. Privatbibliotheken konnten in
(langgestreckten) Sälen untergebracht sein, die räumlich meist vom Wohnbe-
813 Lehmann, Bibliotheksräume, Bd. 1, 350.
814 Pulle, Bibliotheksräume, 62–64.
815 Della costruzione e del regolamento di una pubblica universale biblioteca. Con la pianta
dimostrativa. Trattato di Leopoldo Della Santa. Florenz 1816. [FRANZ 18158]
816 Pulle, Bibliotheksräume.
817 Grundlegend dazu Böckh, Schriftsteller, S. 81–126, und Balbi 1835, S. 84–113. Zu nennen
wären v. a. die Bibliotheken des Erzherzogs Karl und der Fürsten Metternich, Schwarzen-
berg und Esterhazy sowie jene des Grafen Fries und des Freiherrn Carnea-Stefaneo.
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Subtitle
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Authors
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 644
- Keywords
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630