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ANKAUF GESCHLOSSENER SAMMLUNGEN VON 1806 BIS 1835 305
Der in Quebec geborene Engländer Eduard Watts, der bereits 1782 die
österreichische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, wurde 1807 von
Franz I. zum Generalkonsul für Ostindien und China ernannt, nachdem zu-
vor einige seiner Handelshäuser in Konkurs gegangen waren. Nach einem
1816 missglückten Versuch mit Quecksilber zu handeln, das die österreichi-
sche Regierung auf sein Anraten hin angekauft hatte und auf einer Fregatte
nach China transportieren ließ, beendete Watts 1823 seine diplomatischen
Dienste für das Kaisertum Österreich und wurde von England als Konsul
nach Cartagena entsandt.1271 Vermutlich aufgrund seiner hohen Schulden
bot er kurz vor dem Ende seiner Dienste dem Kaiser eine Sammlung chinesi-
scher Zeichnungen zum Kauf an. Über die Art und Weise, wie Watts in ihren
Besitz gekommen war, spekuliert Grübl-Steinbauer, dass er sie vermutlich
zwischen 1812 und 1822 in Canton,1272 dem einzigen Ort, an dem sich aus-
ländische Händler in China aufhalten durften, erworben haben muss.1273
Im Mai 1823 wird Young aufgefordert, die vorübergehend in der Privat-
bibliothek aufbewahrte Sammlung durch Experten schätzen zu lassen.1274
Diesen Befehl ausführend bittet er sowohl den Direktor des k. k. Naturali-
enkabinetts Karl Ritter von Schreibers als auch den Wiener Kunsthändler
Mathias Artaria um Schätzgutachten. Das Ergebnis wird dem Kaiser we-
nig später vorgelegt. Young referiert, dass die aus 632 Blättern bestehende
Sammlung in 14 mit chinesischem Seidenzeug überzogenen Bänden aufbe-
wahrt sei. Der erste Band enthalte Abbildungen zu Gebäuden und Kostü-
men, der zweite bis vierte Trachten, der fünfte und sechste Zeichnungen von
Handwerken, der siebente bis elfte Abbildungen von Blumen, Pflanzen und
Schmetterlingen, der zwölfte und dreizehnte Vögel und der vierzehnte Band
schließlich Abbildungen von Fischen. Aufgrund der zahlreichen naturhisto-
rischen Darstellungen sei die Wahl auf Direktor von Schreibers als zweiten
Begutachter gefallen. Nach Meinung beider sei es durchaus wahrscheinlich,
dass die Zeichnungen tatsächlich in China angefertigt worden waren, jedoch
vermutlich von einem dort ansässigen europäischen Maler „denn die Zeich-
nung ist zu richtig1275 und zu vollendet, um darin eine chinesische Hand zu
vermuthen; es wäre dann [recte denn] daß die Chineser sich seit kurzer Zeit
in der Zeichenkunst auf eine so auffallende Art vervollkomm[ne]t hätten“.1276
Mathias Artaria komme bei seiner Schätzung auf einen Wert von 1.682 ½
1271 Grübl-Steinbauer, Bilder, 299f.
1272 Heute Guangzhou.
1273 Grübl-Steinbauer, Bilder, 300.
1274 FKBA06040, fol. 1r.
1275 Mit „richtig“ ist vermutlich die korrekte perspektivische Darstellung gemeint.
1276 FKBA06040, fol. 3v; zu den Vorlagen dieser Zeichnungen vgl. die Ausführungen
Grübl-Steinbauers, Bilder, 294f.
Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Die Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. von Österreich 1784-1835
- Subtitle
- Bibliotheks- und Kulturgeschichte einer fürstlichen Sammlung zwischen Aufklärung und Vormärz
- Authors
- Thomas Huber-Frischeis
- Nina Knieling
- Rainer Valenta
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79497-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 644
- Keywords
- Austrian History, Book History, Library History, 18th Century, 19th Century, Emperor Francis I, Österreichische Geschichte, Buchgeschichte, Bibliotheksgeschichte, 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert, Hofburg, Kaiser Franz I.
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort 11
- 1. Einleitung 15
- 2. Zur Vorbildfunktion der Privatbibliothek von Pietro Leopoldo und Maria Luisa. Erwerbungsstrategien und Buchlektüre am florentinischen Hof (NK) 27
- 2.1 Pietro Leopoldo als Großherzog von Toskana 28
- 2.2 Meilensteine der florentinischen Privatbibliothek der Großherzoge 30
- 2.3 Akquisitionspolitik und Benutzung 36
- 2.4 Sapere aude – Das Buch als Eckpfeiler der aufgeklärten Erziehung und seine mediale Rezeption 49
- 2.5 Spurensuche nach dem Nukleus der franziszeischen Privatbibliothek 62
- 3. Vom Kaiser bis zum Bibliotheksadjunkten. Die Akteure der Privatbibliothek 70
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 3.1.1 Die Prinzenerziehung in Wien und der prägende Einfluss von Erziehern und Lehrern (NK) 70
- 3.1.2 Franz II. als letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reichs (NK) 76
- 3.1.3 Franz I. als Kaiser von Österreich (TH-F) 77
- 3.1.4 Die Privatbibliothek im administrativen Gefüge des erzherzoglichen bzw. kaiserlichen Hofstaats bis 1806 (NK) 81
- 3.2 Personal der Institution Privatbibliothek (TH-F) 83
- 3.2.1 Mathias Braunbeck 84
- 3.2.2 Peter Thomas Young 89
- 3.2.3 Michael Brunner 116
- 3.2.4 Alois Hofmann 121
- 3.2.5 Franz (Xaver) Thein 123
- 3.2.6 (Johann) Eduard Frister 128
- 3.2.7 Wenzel (Maximilian) Kißler 135
- 3.2.8 Leopold Joseph Wilhelm von Khloyber 140
- 3.2.9 Georg Thaa 151
- 3.2.10 Giuseppe Caselli 156
- 3.2.11 Joseph Ott 166
- 3.2.12 Philipp Held 176
- 3.1 Stationen im Leben eines Kaisers als Bibliothekar 70
- 4. Die Bibliothek als architektonischer Ort. Rekonstruktion und Entwicklung der Privatbibliothek Kaiser Franz’ I. (RV) 178
- 5. Finanzpolitische Aspekte der Privatbibliothek (TH-F) 208
- 6. Vom Buchmarkt zum Bibliotheksbestand . Erwerbungsmechanismen und Bestandsaufbau 229
- 6.1 The Marketplace of Ideas – Akquisitionspolitik 1784 bis 1791 (NK) 229
- 6.2 Ein Handapparat entsteht – Bestandsaufbau und unktionswandel der Privatbibliothek 1784 bis 1791 (NK) 244
- 6.3 Handelspraktiken des Buchmarktes 1792 bis 1806 im Spiegel der Privatbibliothek (NK) 252
- 6.4 Erwerbungen bei in- und ausländischen Buchhändlern 1806 bis 1835 (TH-F) 266
- 6.5 Ankauf geschlossener Sammlungen von 1806 bis 1835 (TH-F) 280
- 6.5.1 Die ererbte Bibliothek Erzherzogin Maria Elisabeths (1808) 283
- 6.5.2 Die Manuskriptsammlungen des Joseph von Sartori (1809, 1813) 287
- 6.5.3 Die Bibliothek des Peter Anton Freiherrn von Frank (1819) 292
- 6.5.4 Die Inkunabelsammlung des Ferdinand Freiherrn von Ulm (1824) 296
- 6.5.5 Sammlung chinesischer Handzeichnungen des Generalkonsuls Edward Watts (um 1826) 304
- 6.5.6 Die physiognomische Studiensammlung des Johann Caspar Lavater (1828) 307
- 6.5.7 Aus dem Nachlass des ehemaligen Leibarztes Nikolaus Thomas Host (1834) 314
- 6.6 Erwerbungen im Rahmen von Auktionen von 1806 bis 1835 (TH-F) 320
- 6.6.1 Aus der Privatbibliothek des Franz Freiherrn von Prandau (1811) 322
- 6.6.2 Aus der Privatbibliothek des Johann Melchior Edlen von Birkenstock (1812) 327
- 6.6.3 Aus der Privatbibliothek der Grafen Apponyi (1818) 338
- 6.6.4 Aus der Privatbibliothek des Prosper Fürsten von Sinzendorf (1823) 339
- 6.6.5 Aus der Privatbibliothek König Maximilian I. Josephs von Bayern (1826) 347
- 6.6.6 Aus dem Nachlass des Wiener Erzbischofs Leopold Maximilian Graf Firmian (1832) 352
- 6.6.7 Aus der Bibliothek der Grafen Auersperg im Schloss Wolfpassing (1834) 356
- 6.7 Der Bestandsaufbau der Privatbibliothek 1806 bis 1835 im Überblick (TH-F) 359
- 7. Bibliothek und Ordnung 363
- 8. Die Sammlungsbestände im historischen Kontext. Exemplarische Analysen 394
- 9. Die Privatbibliothek im Vergleich. Einblicke und Ausblicke 489
- 10. Resümee 537
- Bildteil 545
- 11. Anhang 561
- 11.1 Werke der Büchersammlung aus Florenz in der kaiserlichen Privatbibliothek 561
- 11.2 Werke der Büchersammlung aus Florenz im Prunksaal 568
- 11.3 Sammlung der besten deutschen prosaischen Schriftsteller und Dichter 571
- 11.4 Ahnentafel Kaiser Franz’ I 574
- 11.5 Beschreibung der Lebensweise Kaiser Franz’ I 574
- 11.6 Wiener Buchhändler als Lieferanten der Privatbibliothek 577
- 11.7 Edition des von der Zensur verbotenen Eipeldauerbriefs 579
- 11.8 Prandau’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen bzw. nicht erworbenen Werke 579
- 11.9 Birkenstock’sche Auktion: Listen der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 582
- 11.10 Sinzendorf’sche Auktion: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen und nicht erworbenen Werke 590
- 11.11 Auktion der Bibliothek Maximilians I. von Bayern: Liste der für die Privatbibliothek erworbenen Werke 592
- 12. Abbildungs-, Quellen- und Literaturverzeichnis 595
- 13. Register 630