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Radetzkymarsch
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3Kapitel An einem frischen und sonnigen Frühlingsmorgen erhielt der Bezirkshauptmann den unglücklichen Brief des Leutnants. Herr von Trotta wog das Schreiben in der Hand, bevor er es öffnete. Es schien schwerer zu sein als alle Briefe, die er von seinem Sohn bis nun erhalten hatte. Es mußte ein Brief von zwei Bogen sein, ein Brief von einer ungewöhnlichen Länge. Das gealterte Herz Herrn von Trottas erfüllte sich mit Kummer, väterlichem Zorn, Freude und banger Ahnung zugleich. An seiner alten Hand schepperte die harte Manschette ein bißchen, als er das Kuvert öffnete. Er hielt den Zwicker, der im Laufe der letzten Monate etwas zittrig geworden schien, mit der Linken fest und brachte den Brief mit der Rechten ziemlich nahe vor das Angesicht, so daß die Ränder des Backenbartes leise raschelnd das Papier streiften. Die deutliche Hast der Schriftzüge erschreckte Herrn von Trotta im gleichen Maße wie der außergewöhnliche Inhalt. Auch zwischen den Zeilen noch suchte der Bezirkshauptmann nach etwa verborgenen neuen Schrecken; denn es war ihm auf einmal, als enthielte der Brief nicht der Schrecken genug und als hätte er seit langem schon, und besonders, seitdem der Sohn zu schreiben aufgehört hatte, Tag für Tag auf die furchtbarste Botschaft gewartet. Deshalb wohl war er gefaßt, als er das Schreiben weglegte. Er war ein alter Mann einer alten Zeit. Die alten Männer aus der Zeit vor dem großen Kriege waren vielleicht törichter als die jungen von heute. Aber in den Augenblicken, die jenen schrecklich vorkamen und die nach den Begriffen der Tage, in denen wir leben, wahrscheinlich mit einem flüchtigen Scherz erledigt wären, bewahrten sie, die braven, alten Männer, einen heldenhaften Gleichmut. Heutzutage sind die Begriffe von Standesehre und Familienehre und persönlicher Ehre, in denen der Herr von Trotta lebte, Überreste unglaubwürdiger und kindischer Legenden, wie es uns manchmal scheint. Damals aber hätte einen österreichischen Bezirkshauptmann von der Art Herrn von Trottas die Kunde vom plötzlichen Tod seines einzigen Kindes weniger erschüttert als die von einer auch nur scheinbaren Unehrenhaftigkeit dieses einzigen Kindes. Nach den Vorstellungen jener verschollenen und wie von den frischen Grabhügeln der Gefallenen verschütteten Epoche war ein Offizier der kaiser- und königlichen Armee, der einen Angreifer seiner Ehre scheinbar deshalb nicht getötet hatte, weil er ihm Geld schuldig war, ein Unglück und schlimmer als ein Unglück: nämlich eine Schande für seinen Erzeuger, für die Armee und für die Monarchie. Und im ersten Augenblick regte sich auch nicht das väterliche, sondern gewissermaßen das amtliche 236
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Radetzkymarsch
Title
Radetzkymarsch
Author
Joseph Roth
Date
1932
Language
German
License
PD
Size
21.0 x 29.7 cm
Pages
294
Keywords
Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
Categories
Weiteres Belletristik

Table of contents

  1. Teil 1 3
    1. Kapitel 1 5
    2. Kapitel 2 20
    3. Kapitel 3 31
    4. Kapitel 4 45
    5. Kapitel 5 53
    6. Kapitel 6 69
    7. Kapitel 7 81
    8. Kapitel 8 100
  2. Teil 2 111
    1. Kapitel 1 112
    2. Kapitel 2 122
    3. Kapitel 3 136
    4. Kapitel 4 153
    5. Kapitel 5 167
    6. Kapitel 6 178
    7. Kapitel 7 191
  3. Teil 3 202
    1. Kapitel 1 203
    2. Kapitel 2 219
    3. Kapitel 3 236
    4. Kapitel 4 251
    5. Kapitel 5 272
    6. Kapitel 6 281
  4. Epilog 288
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