Page - 272 - in Radetzkymarsch
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5Kapitel
Eine Woche später verließ Carl Joseph seinen Vater. Sie umarmten sich im
Hausflur, bevor sie den Fiaker bestiegen. Nach der Meinung des alten Herrn
von Trotta durften Zärtlichkeiten nicht auf dem Perron, vor zufälligen
Zeugen, stattfinden. Die Umarmung war flüchtig wie immer, umweht vom
feuchten Schatten des Flurs und vom kühlen Atem der steinernen Fliesen.
Fräulein Hirschwitz wartete schon auf dem Balkon, gefaßt wie ein Mann.
Vergeblich hatte Herr von Trotta ihr zu erklären versucht, daß es überflüssig
sei zu winken. Sie mochte es für eine Pflicht halten. Obwohl es nicht regnete,
spannte Herr von Trotta den Regenschirm auf. Leichte Bewölkung des
Himmels schien ihm ein hinreichender Grund dazu. Unter dem Schutz des
Regenschirms stieg er in den Fiaker. Also konnte ihn Fräulein Hirschwitz
vom Balkon aus nicht sehen. Er sprach kein Wort. Erst als der Sohn schon im
Zug stand, hob der Alte die Hand, mit ausgestrecktem Zeigefinger: »Es wäre
günstig«, sagte er, »wenn du krankheitshalber abgehn könntest. Man verläßt
die Armee nicht ohne wichtige Ursache! … «
»Jawohl, Papa!« sagte der Leutnant.
Knapp vor der Abfahrt des Zuges verließ der Bezirkshauptmann den
Perron. Carl Joseph sah ihn dahingehen, mit straffem Rücken und den
zusammengerollten Regenschirm mit aufwärtsgerichteter Spitze wie einen
gezogenen Säbel im Arm. Er wandte sich nicht mehr um, der alte Herr von
Trotta.
Carl Joseph bekam seinen Abschied. »Was willst denn jetzt machen?«
fragten die Kameraden. »Ich hab’ einen Posten!« sagte Trotta, und sie fragten
nicht mehr.
Er erkundigte sich nach Onufrij. Man sagte ihm in der Regimentskanzlei,
daß der Bursche Kolohin desertiert sei.
Der Leutnant Trotta ging ins Hotel. Er kleidete sich langsam um. Zuerst
schnallte er den Säbel ab, die Waffe und das Abzeichen seiner Ehre. Vor
diesem Augenblick hatte er Angst gehabt. Er wunderte sich, es ging ohne
Wehmut. Eine Flasche Neunziggrädiger stand auf seinem Tisch, er mußte
nicht einmal trinken. Chojnicki kam, um ihn abzuholen, schon knallte unten
seine Peitsche; jetzt war er im Zimmer. Er setzte sich und sah zu. Es war
Nachmittag, drei Uhr schlug es vom Turm. Alle satten Stimmen des Sommers
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Radetzkymarsch
- Title
- Radetzkymarsch
- Author
- Joseph Roth
- Date
- 1932
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 294
- Keywords
- Roman, Geschichte, KUK, Österreich, Ungarn
- Categories
- Weiteres Belletristik