Page - 10 - in Tonka
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»Ja – nein, ja – nein« – er wurde ungeduldig – »was soll das heißen?
Schimpfen Sie wenigstens auf uns!« Aber er sah, daß sie mit Antworten
kämpfte, die sie immer wieder im letzten Augenblick von den Lippen
verwarf, und sie tat ihm plötzlich leid. »Sie werden mich wohl kaum
verstehen, Fräulein, ich denke nicht schlecht von meiner Großmutter, das ist
es nicht; sie ist auch eine arme Frau, aber ich denke jetzt nicht von dieser
Seite: das ist meine Art. Ich denke von Ihrer Seite, und da ist sie ein Klumpen
Scheußlichkeit. Verstehen Sie mich jetzt?«
»Ja,« sagte das Fräulein leise und wurde über und über rot. »Ich habe Sie
auch schon früher verstanden. Aber ich kann’s nicht sagen.«
Da lachte er nun. »Das ist etwas, das mir noch nie widerfahren ist: etwas
nicht sagen können! Aber jetzt will ich erst recht wissen, was Sie antworten
möchten, ich werde Ihnen helfen.« Er wandte sich so völlig zu ihr, daß sie
noch mehr verlegen wurde. »Also fangen wir an: Macht Ihnen die ruhige,
gleichmäßige Pflicht, das geregelte Taugaustagein vielleicht Vergnügen? Ist
es das?«
»Oh, nun, ich weiß nicht, wie Sie das meinen; ich habe meine Arbeit ganz
gern.«
»Ganz gern, schön. Aber Bedürfnis: nicht gerade? Es gibt ja Leute, die gar
nichts anderes wollen als Tagwerk.«
»Wie meinen Sie das?«
»Wünsche, Träume, Ehrgeiz meine ich; läßt Sie ein Tag wie heute
unberührt?«
Es war zwischen den Mauern der Stadt ein Tag voll Zittern und
Frühlingshonig.
Da lachte das Fräulein: »Nein. Aber das ist es doch nicht.«
»Ist es nicht? Nun, dann haben Sie vielleicht eine Vorliebe für halbfinstere
Zimmer, das leise Sprechen, der Geruch von Medizinflaschen und
dergleichen? Es gibt auch solche Leute, Fräulein, aber ich sehe schon an
Ihrem Gesicht, daß ich es wieder nicht getroffen habe.«
Fräulein Tonka schüttelte den Kopf und zog die Mundwinkel etwas abwärts
– in schüchternem Spott oder auch nur aus Verlegenheit. Aber nun ließ er ihr
keine Ruhe. »Sehen Sie, wie ich irre, wie lächerlich ich mich vor Ihnen
mache mit meinen verfehlten Überlegungen: gibt Ihnen das nicht Mut? Also!
–?«
Und nun kam es auch endlich heraus. Langsam. Stockend. Die Worte
verbessernd, als ob man etwas sehr schwer zu Verstehendes begreiflich
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Tonka
- Title
- Tonka
- Author
- Robert Musil
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.8 cm
- Pages
- 46
- Categories
- Weiteres Belletristik