Page - 32 - in Tonka
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besaß zwei Ringe, die er aber nur abwechselnd trug. Beide waren kostbar,
aber der eine war edel und alt, während der andere ein Geschenk seiner Eltern
war, das er nie sehr in Ehren gehalten hatte. Da bemerkte er, daß er an den
Tagen, wo er den neuen Ring trug, der nichts als ein teurer Allerweltsring
war, vor neuen Verschlimmerungen seiner Lage eher bewahrt blieb als an den
Tagen, wo er den edlen trug, und von da an traute er sich nicht mehr, diesen
an den Finger zu stecken, sondern trug den andern wie ein auferlegtes Joch.
Auch als er sich eines Tages zufällig nicht rasierte, hatte er Glück; als er es
am nächsten Tage tat, obgleich ihn die Beobachtung gewarnt hatte, strafte ein
neues seiner kleinen niedrigen Unglücke – die nur in seiner Lage Unglück
statt Lächerlichkeit waren – den Verstoß: von da an konnte er sich nicht
entschließen, seinem Bart etwas zu tun; er wuchs, wurde bloß sorgfältig spitz
geschnitten, und er trug ihn während aller traurigen Wochen, die noch kamen.
Dieser Bart entstellte ihn, aber er war wie Tonka: je häßlicher, desto
ängstlicher behütet. Vielleicht wurde sein Gefühl für sie desto zärtlicher, je
tiefer es enttäuscht war, denn es war innerlich ein so guter Bart, weil er
äußerlich so häßlich war. Tonka mochte den Bart nicht und verstand ihn nicht.
Er hätte ohne sie gar nicht gewußt, wie häßlich dieser Bart war, denn man
weiß von sich so wenig, wenn man nicht andere hat, in denen man sich
spiegelt. Und da man nichts weiß, wünschte er Tonka vielleicht zuweilen tot,
damit dieses unerträgliche Leben ein Ende finde, und mochte den Bart bloß
deshalb, weil er alles verstellte und verbarg.
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Tonka
- Title
- Tonka
- Author
- Robert Musil
- Date
- 1922
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 21.0 x 29.8 cm
- Pages
- 46
- Categories
- Weiteres Belletristik