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Die Landschaft
Die niederösterreichische Seite des Wechsels ist landschaftlich durch zwei unterschiedlich geformte
Täler gekennzeichnet, welchen Aspang „als Tor zum Wechsel“ an der Durchzugsstraße in die Steier-
mark vorgelagert liegt.21
a) Das enge Tal von Aspang nach Mariensee, mit der beeindruckenden „Großen Klause“, in wel-
cher heute noch die „Martinschleife“ von der Nutzung der Wasserkraft erzählt, führt hinein in
den Talschluss mit der Wechsel-, Schnee- und Bärengrube. Vom Besitzer der Manz’schen Ham-
merwerke22 verblieb der Adelstitel „Mariensee“ als Ortsbezeichnung für die Rotte Neuwald. Man-
che vulgo Hofnamen wie Båder-Peterl, Gråbn-Schmied, Weber-Irgl oder Schauflmåcher erzählen
heute noch von den Berufen ihrer Bewohner. Vorbei an unzähligen, heute unbewohnten Gräben
führen alte Fußwege über steile Waldhänge zu den hoch gelegenen Almen und Schwaigen. Die Pfarre
St. Peter am Neuwald ist mit dem Wallfahrtsort St. Corona am Wechsel (früher „Heiligenstatt“)
und Kirchberg am Wechsel mit seinem Kloster durch LandstraĂźen verbunden.
b) Auch im Feistritztal, mit den Orten Feistritz, Kirchberg am Wechsel, Otterthal und Trattenbach,
sind heute noch Spuren der einstigen Hammerwerke, Pappefabriken, Eisenschmieden und We-
bereien zu finden. In Trattenbach hatte Stephan Mautner, Bruder des bedeutenden Volkslied-
forschers Konrad Mautner, mit seinen Webereien und böhmischen Arbeiterinnen die ehemalige
Moser’sche Pappefabrik zu einem florierenden Unternehmen aufgebaut.
Vom Straßennetz der Römer wurde das Wechselgebiet nur am Rande gestreift. Die Bedeutung jahr-
hundertealter Saumerpfade übers Gebirge für die Bevölkerung zeigt heute noch der vulgo Hofname
Samer-Luis, Bauer in St. Lorenzen am Wechsel. Im Mittelalter war die StraĂźe durchs Pittental ĂĽber
Aspang und den Eselberg (oder Möselberg) eine wichtige Verbindung zwischen den beiden Ländern
„Österreich unter der Enns“ und dem „Herzogthum Steyermark“. Vom Pittener Land kommend zogen
die Formbacher Grafen in die Steiermark, die Maut befand sich in Warth im Pittental. SĂĽdlich des
Wechsels, unterhalb von Mönichkirchen, stand im kleinen Ort Spital das namengebende Malteser-
Spital mit der dem Hl. Ă„gidius geweihten Kirche.23 FĂĽr den 1683 nach Wien stĂĽrmenden HeerfĂĽh-
rer Kara Mustafa und sein riesiges Gefolge hatte sich „der Wexel als unbezwingbar“24 erwiesen. Mit
der zu Beginn des 19. Jahrhunderts ausgebauten WechselstraĂźe entstand eine bessere Verbindung
zwischen Aspang und Friedberg. Zu den prominenten Benützern zählte auch Franz Schubert, welcher
1827 nach einem Frühstück „um ½10 Uhr außerhalb Friedberg in der Pinga […] zu Fuß bergan bis
auf die Spitze des Eselberges […]“ ging. Von dort genoss er „die schönste Aussicht […] hinunter nach
Steiermark, Ungarn und hinauf nach Österreich“25.
Der Topograf Adolf Schmidl schwelgt 1830 in den landschaftlichen Schönheiten des Wechsels und
ĂĽber die Erreichbarkeit des Berges, der
21 Bis zum Bau der A2-SĂĽdautobahn als frequentierte WechselbundesstraĂźe B54 bekannt.
22 Später „Gewehrfabrik Gebrüder Österlein“. Anton Manz von Mariensee (Mantua 1757–1830 Bad Ischl), Ausbau der
Braunkohlenwerke in Kirlibaba und Jakobeny (Bukowina), letzte Ruhestätte in Bad Ischl. Siehe: Josef Stickelberger,
Norbert Aubrunner und Erika Sieder: Mariensee und seine UrsprĂĽnge, Mariensee 1994; Josef Beutel: Ortsbild von Mari-
ensee am Wechsel 1922, Hg. Norbert Aubrunner und Franz J. Legorsky fĂĽr ARGE Mariensee 200, Mariensee 1995; Josef
Stickelberger, Norbert Aubrunner und Erika Sieder: Mariensee und St. Peter am Wechsel. Geschichten von der nieder-
österreichischen Seite des Wechsels, Mariensee 1997.
23 Heinrich Koller: Die Geschichte Mönichkirchens. In: Mönichkirchen 860–1960, Festschrift zur Markterhebungsfeier 1961;
F. Bergauer (Hg.), Mönichkirchen 1961, S. 11; Ernst Nowotny, Tauchen: Znachst hon i a Roas gmocht. In: Unser Neun-
kirchner Heimatbuch, Neunkirchen 1949, S. 206–208. Eine Parallele dazu ist der Ort Spital am Semmering.
24 Aquilinus Julius Caesar, regulirter Korherr des Stiftes Vorau, der Gottesgelahrtheit Lizenziaten und resignirten Stadt-
pfarrers zu Friedberg: Staat- und Kirchengeschichte des Herzogthums Steyermarks, 7 Bände, Graz 1786–1788.
25 Otto Erich Deutsch: Schubert. Die Dokumente seines Lebens. Nachdruck der 2. Auflage 1980, Wiesbaden 1996, S. 452.
WeXel oder Die Musik einer Landschaft
Das Geistliche Lied, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- WeXel oder Die Musik einer Landschaft
- Subtitle
- Das Geistliche Lied
- Volume
- 1
- Authors
- Erika Sieder
- Walter Deutsch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79584-1
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 648
- Keywords
- Wechselgebiet, Geistliches Lied: Leichhüatlieder, bäuerliche Tradition der Totenwache, historische Tondokumente, Wörterbuch, Melodienincipits
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- AbkĂĽrzungen 10
- Zum vorliegenden Band 12
- Die Landschaft 18
- Der Totenbrauch 24
- 1. Die Totenwache 26
- 2. Das Begräbnis und das Totenmahl 33
- 3. Das Singen 38
- 4. Das Liedgut und seine Quellen 40
- 5. Die Liedgattungen 47
- Die Sammlung: Lei(ch)hüat- / Leichwåcht-Liadln – Lieder zur Totenwache 59
- Anmerkungen zur Edition der Lieder 60
- Johannes Leopold Mayer
- Zusammenfassung
- Register für das Wechselgebiet und die angrenzenden Regionen in Niederösterreich und in der Steiermark
- Allgemeines Register
- a) Ortsregister 601
- b) Personenregister 607
- Sachregister 613
- Register der Liedanfänge, Sammelorte und Tonaufzeichnungen 618
- Inhaltsverzeichnis und Begleittext zu den beiliegenden Tondokumenten 629
- Sängerinnen, Sänger und Vorbeter der Tonaufzeichnungen 630
- Inhaltsverzeichnis zu den beiliegenden CDs 632
- Autoren und Mitarbeiter 640