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2. Das Begräbnis und das Totenmahl
neu geschaffenen sakralen Bauten folgend, wurde der Verstorbene bald nach seinem Hinscheiden
von der örtlichen Bestattung abgeholt und dort bei geschlossenem Sarg aufgebahrt. Als Nachhall der
traditionellen Totenwache verabschieden sich die Angehörigen, Nachbarn und Bekannten heute vom
Verstorbenen am Vorabend der Beerdigung in einer einstündigen Andacht mit Gebeten, dem „Rosen-
kranz“ und – in manchen Orten wieder – mit ausgewählten Liedern in der Pfarrkirche oder in der
Ortskapelle.
2. Das Begräbnis und Totenmahl
In der Pfarrchronik von Schäffern werden die „Beerdigungsvorkehrungen“ und die „Begräbnisfeier
selbst“ von Pfarrer Josef Schänzl genau beschrieben:
Nach dem Hinscheiden wird gewöhnlich – Dienstag – darauf in der Kirche der Todesfall bei der Pfarre
angesagt, und die zu haltende Leichenfeier bestimmt. Zur Mahnung fĂĽr das Sterbende oder bereits
Verstorbene zu beten, wird hier nicht, wahrscheinlich wegen den meist zerstreuten Häusern, schon
gleich beim Hinscheiden oder unmittelbar danach mit „Zügenglocke“ nach christlichem Brauche geleu-
tet, sondern jedesmal erst tags darauf in der Frühe nach dem Gottesdienste, und zwar 2 – 3 oder allen 4
Glocken, je nach dem Grade der Leichenfeier, die beim Begräbnis gehalten werden soll, welches Läuten
man das „Verschiedungläuten“ nennt. Auf ein großes Geläute bei einer Leichen- und Begräbnisfeier hal-
ten die Leute sehr viel, und öfter wird nur des größeren Geläutes wegen eine höhere Leichenfeierlichkeit
beim Pfarramt bestellt.
Da allhier ein bestimmter Todtengräber zum Grabmachen nicht angestellt ist, so wird von den Nach-
barsleuten des Verstorbenen dieser letzter Liebesdienst erwiesen, und jedes Mal von diesen das Grab
gegraben, was wohl dem christlichen Sinne vom „die Toten begraben“ schön entspräche, jedoch im
Friedhofe bezüglich der Ordnung und Regelmäßigkeit mit vielen Unzukömmlichkeiten verbunden ist.
Im J. 1883 ist jedoch auf behördliche Anordnung ein eigener Todtengräber angestellt worden!
Zur Leichenfeier, oder eigentlich Begräbnisfeier werden zuvor alle Nachbarn und Verwandten, letzte-
re bis einschlieĂźend bis zum 2. Grade der Verwandtschaft, nebst anderen gewissen Personen von den
Angehörigen des Verstorbenen eigens auch eingeladen, und müssen der Sitte gemäß eigens dazu einge-
laden werden, sonst erscheinen sie zur Begräbnißfeier nicht; und zwar werden von jeder betreffenden
Familie immer je 2 Personen geladen, und es kommen so bei mancher Begräbnißfeier 60–80 Personen
zusammen. Diese eigens Geladenen bilden in der Regel den Leichenzug allein, und nur wenn an einem
Sonn- oder Feiertag eine Begräbnißfeier ist, schließen sich alle dem Leichenzuge von der Kirche zum
Friedhof an. Daß zur Begräbnisfeier die Nachbarn und Verwandten eigens geladen werden müssen,
kommt von daher, weil nur die hiezu Geladenen hernach am gebräuchlichen „Todtenmahle“ theilneh-
men, das nach beendeter Begräbnißfeier jedesmal sogleich, und zwar in einem Gasthause veranstaltet
wird […].
Die Begräbnißfeier selbst
Die eigentliche Begräbnißfeier wird immer an einem Vormittage gehalten und zwar um 8 – 9 Uhr, weil
hiemit jedesmal 1 – 2 Leichenämter verbunden werden. Die Beerdigung geschieht […] immer in 36 – 48
Stunden nach dem Hinscheiden. Zur Begräbnißfeier versammeln sich die Geladenen im Sterbhause,
da wird zuerst fĂĽr das Verstorbene lange gebethet; dann besprengt jeder der Leidtragenden mit Weih-
wasser, und eine Pfanne mit glĂĽhenden Kohlen darauf, und Waldweihrauch ist auch vorhanden, wo-
mit Jeder den Leichnam auch beräuchert. Wenn sich zur Begräbnißfeier die Leute versammeln, bethet
jeder zuerst fĂĽr sich in der Stille beim Sarge, und besprengt das Verstorbene mit Weihwasser, und das
erwähnte Beräuchern beginnt erst, sobald alle Leidtragenden beisammen sind, und die Leiche in die
Todtentruhe gelegt ist.
Nach zwei durchwachten Nächten wurde der Leichnam am Begräbnistag unter Teilnahme der Hinter-
bliebenen, Verwandten und Nachbarn in die „Todtentruhe“ gelegt:
WeXel oder Die Musik einer Landschaft
Das Geistliche Lied, Volume 1
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- WeXel oder Die Musik einer Landschaft
- Subtitle
- Das Geistliche Lied
- Volume
- 1
- Authors
- Erika Sieder
- Walter Deutsch
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79584-1
- Size
- 21.0 x 29.7 cm
- Pages
- 648
- Keywords
- Wechselgebiet, Geistliches Lied: Leichhüatlieder, bäuerliche Tradition der Totenwache, historische Tondokumente, Wörterbuch, Melodienincipits
- Category
- Kunst und Kultur
Table of contents
- AbkĂĽrzungen 10
- Zum vorliegenden Band 12
- Die Landschaft 18
- Der Totenbrauch 24
- 1. Die Totenwache 26
- 2. Das Begräbnis und das Totenmahl 33
- 3. Das Singen 38
- 4. Das Liedgut und seine Quellen 40
- 5. Die Liedgattungen 47
- Die Sammlung: Lei(ch)hüat- / Leichwåcht-Liadln – Lieder zur Totenwache 59
- Anmerkungen zur Edition der Lieder 60
- Johannes Leopold Mayer
- Zusammenfassung
- Register für das Wechselgebiet und die angrenzenden Regionen in Niederösterreich und in der Steiermark
- Allgemeines Register
- a) Ortsregister 601
- b) Personenregister 607
- Sachregister 613
- Register der Liedanfänge, Sammelorte und Tonaufzeichnungen 618
- Inhaltsverzeichnis und Begleittext zu den beiliegenden Tondokumenten 629
- Sängerinnen, Sänger und Vorbeter der Tonaufzeichnungen 630
- Inhaltsverzeichnis zu den beiliegenden CDs 632
- Autoren und Mitarbeiter 640