Seite - 1120 - in Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška - Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
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Relevanz und Redundanz von Sprache
Relevanz im Kleinkindalter ist aufgrund des perso-
nenbezogenen Spracherwerbs stark emotional besetzt.
Relevant ist die Kommunikation mit der Person an
sich, weil sie ein Ausdruck der Aufmerksamkeit und
der emotionalen Wertschätzung ist. Deshalb spricht
ein Kleinkind grundsätzlich so viele Sprachen seinem
Alter entsprechend, wie es entsprechende Bezugsperso-
nen hat, die mit ihm ausschließlich in einer bestimm-
ten Sprache kommunizieren. Zweisprachigkeit oder
Diglossie (das Sprechen von → Dialekt und →
Stan-
dardsprache) an sich stellen kein Problem dar, denn es
erweitert einerseits sogar die intellektuellen Potenziale
und erleichtert in späteren Jahren aufgrund einer ›Prä-
gung‹ und geistigen ›Öffnung‹ bezüglich verschiedener
Sprachsysteme den Erwerb einer oder mehrerer weite-
rer Sprachen.
Aufgrund des personenbezogenen Lernens durch
Nachahmung wird jedoch andererseits ein Kleinkind
auch ein Sprachgemisch sprechen, wenn die Bezugs-
personen Sprachen mischen, weshalb zum oben er-
wähnten exklusiven Kommunikationsbereich auch
der pädagogisch indizierte exklusive Gebrauch einer
Sprache durch ein und dieselbe Betreuungsperson im
Vor- und Frühschulalter zählt (one person, one language).
Mehrsprachigkeit sollte allerdings nicht mit Makkaro-
nismus bzw. → Mischsprache gleichgesetzt werden.
Relevanz beim Spracherhalt im Erwachsenen-
alter hat zwei Ebenen. Eine subjektive, die eng mit
dem identitätsstiftenden gesellschaftlichen Prestige der
Sprache zusammenhängt, und eine objektive Ebene, die
sich aufgrund des oben beschriebenen ›ökonomischen‹
Verhaltens durch die notwendigen aktiven und passi-
ven Kommunikationssituationen ergibt. Die subjektive
Relevanz umfasst die subjektive Wahrnehmung der
Sprache, ihre gesellschaftliche Sichtbarkeit und Wahr-
nehmbarkeit (historische → Inschriften auf Kunstob-
jekten bzw. Ortstafeln, Aufschriften im öffentlichen
Bereich, touristische Hinweisschilder, Radio, Medien
allgemein). Der Verfassungsgesetzgeber hat diese vor-
geschrieben, weil sie eine Voraussetzung für den Spra-
cherhalt (das Überleben der Sprache) darstellen. Rele-
vanz spiegelt sich somit auch in der Medienlandschaft
bzw. Medienpolitik (Sendungen nur für → »Minder-
heiten« und/oder Sendungen in der gesellschaftlich
dominierenden »Mehrheitssprache«, die etwa Musik
in der Minderheitensprache berücksichtigen und somit
deren Relevanz in einer breiteren Bevölkerungsschicht
unabhängig der jeweiligen → Muttersprache stärken).
Weiters wird die Relevanz einer Sprache im Er- wachsenenalter auch durch das rechtlich-institutionelle
Netzwerk des Gebrauchs einer Sprache als → Amts-
sprache in staatlichen Einrichtungen oder im Alltags-
gebrauch bestimmt, wie sehr sie ebenso von prakti-
schem Wert im Wirtschaftsleben ist. Dazu zählt auch
die Möglichkeit des Gebrauchs einer Sprache im staats-
nahen Bereich (in Standesvertretungen, Kammern, der
Bahn, im öffentlichen Verkehr, bei Stromversorgern –
vor den Privatisierungen). Diese kann auch in Geschäf-
ten/Betrieben zum Tragen kommen, wenn etwa eine
Sprache (der Volksgruppe/zahlenmäßigen Minderheit)
auch rechtlich vorgesehen ist, etwa bei einer bestim-
menden Anzahl von Beschäftigten im zweisprachigen
Gebiet. Eng mit der Relevanz einer Sprache ist also das
in Kärnten/Koroška allgemein kaum entwickelte Ver-
ständnis für die zentrale Bedeutung der Drittwirkung
von Grundrechten für den Erhalt der Sprache und der
sprachlichen → Kulturlandschaft.
Die mediale und gesellschaftliche Positionierung der
→
Windischentheorie sowie die ideologisierte Hand-
habung der Doppelsprachigkeit bzw. die manipulativ
eingesetzte Kärntner → Zweisprachigkeits-Ideologie,
die durch die Tabuisierung des Begriffs Slowene/slo-
wenisch den Gebrauch des Begriff Zweisprachigkeit/
zweisprachig bzw. des Begriffs → gemischtsprachig an
seiner statt setzte (→ »Entethnisierung«), trugen/tragen
zur psycholinguistisch bedingten Minderung der Re-
levanz des Slowenischen in Kärnten/Koroška bei und
damit gleichzeitig zu dessen Redundanz. Die psycho-
linguistischen Phänomene hatten/haben (neben den
wirtschaftlichen Faktoren des → Assimilationszwangs)
somit wesentlichen Anteil an der massiven Assimilation
ganzer historischer slowenischer Bevölkerungsteile und
Landstriche in Kärnten/Koroška seit dem 20. Jh.
Relevanz in der Kirche. In zwei Bereichen tritt die
Relevanz einer Sprache besonders in Erscheinung. Ei-
nerseits ist dies die Kirchen- bzw. die → Liturgiespra-
che und andererseits der Schulunterricht. Die sloweni-
sche Liturgiesprache war über Jahrhunderte etwa durch
die Litaneien Trägerin einer spezifischen mystisch-
religiösen Dimension, die der Sprache ein besonderes
gesellschaftliches Prestige und somit subjektive und
gesellschaftliche Relevanz verlieh. Gleichzeitig festigte
sich durch das Wiederholen der religiösen Texte, die
seit Primož → Trubar und in Anlehnung an Martin
Luther einen breiten Wortschatz einer agrarischen
und frühurbanen Gesellschaft spiegelten, das subjek-
tive Gefühl der Sprachkompetenz im Slowenischen.
Gerade diese doppelte Dimension war angesichts des
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602