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Russophilie
an J. Primic : »Der Norden heult, der Süden fürchtet
sich und das Großmaul ergreift die Flucht, sein ganzes
Heer ist zerschlagen … Der Abend wird zeigen, wie
der Tag war – so sagen die wackeren Burschen, die
nördlichen Slawen. Sie werden eine höchst ruhmreiche
Sache vollbringen.« Auch später blieb die Sympathie
für die Russen bei Jarnik erhalten. Er wurde seiner-
seits von den russischen Gelehrten hoch geschätzt ; auf
ihren Reisen in slowenische Länder waren sie bestrebt,
ihn aufzusuchen (P. I. → Prejs, I. I. →
Sreznjevs-
kij). Ein weiterer slowenischer Kärntner Dichter, Mat-
thias → Schneider, war begeistert von den Russen,
denn er hoffte, dass die Russen nicht nur den Feind
verjagen, sondern auch die Schwerter zu Pflugscharen
umschmieden würden, sodass auch die Slowenen ihre
Felder in Frieden bebauen könnten.
Der konsequenteste R. in Kärnten/Koroška war Ma-
tija → Majar – Ziljski, ein getreuer Schüler und
Freund Jarniks. Majar nahm in den ersten Jahren
seines Wirkens an der Illyrischen Bewegung teil, der
sich zahlreiche slowenische Vertreter der nationa-
len Aufklärung aus der Steiermark/Štajerska und aus
Kärnten/Koroška anschlossen. Nach der Revolution der
Jahre 1848/1849 waren sie in ihren Hoffnungen auf die
Habsburger jedoch enttäuscht worden. In ihren Kreisen,
vor allem unter der Jugend, wurde die Sympathie für
Russland immer größer.
In den 1850er- und 1860er-Jahren waren in Kärnten/
Koroška Ideen slawischer Brüderlichkeit, nicht selten
in panslawistischer Form, weit verbreitet (→
Pansla-
wismus). Der glühende slowenische Patriot und tief
gläubige Katholik Andrej → Einspieler plädierte in
seinen Schriften für die slawische Zusammengehörig-
keit und für die Schaffung einer allgemeinslawischen
Literatursprache. »Eine einheitliche Literatursprache
für alle 80 Millionen Slawen !«, schrieb er in der Zeit-
schrift → Slovenska bčela [Slowenische Biene] vom 1.
Juli 1851. »Wem springt da nicht das Herz vor Freude
beim Gedanken an diese segensreiche und wunderbare
Sache ! Wer würde dies nicht gerne erleben !« Zunächst
war Einspieler der Auffassung, dass eine solche Spra-
che künstlich auf Basis der → Kyrillica geschaffen
werden müsste. Anfang der 60er-Jahre jedoch äußerte
er die Hoffnung, dass das Russische die Sprache der
Wissenschaft bei den Slawen werden würde. Derselben
Ansicht war auch der Lehrer Anton → Janežič. In den
Jahren 1850 bis 1853 gaben Einspieler und Janežič
in Klagenfurt/Celovec die Zeitschrift Slovenska bčela
heraus, die von Majars Idee der Notwendigkeit einer künstlich zu schaffenden allgemeinslawischen Sprache
geprägt war.
In der ersten Hälfte der 50er-Jahre erschienen hand-
schriftliche Zeitschriften slowenischer Gymnasiasten,
die Slavija, zu deren Entstehung Janežič aktiv beitrug.
Er forderte die Gymnasiasten nicht nur auf, Volkskunst
zu sammeln und selbst zu schreiben, sondern pub-
lizierte im Jahr 1852 auch den auf ihren Materialien
basierenden Sammelband »Blüten des slowenischen
Volkes«. Die Slavija-Hefte wurden von Gymnasiasten
aus Ljubljana, Klagenfurt/Celovec, Celje und Maribor
verfasst. Sie enthielten Volkslieder und Übersetzungen
von Beiträgen aus dem Russischen, dem Tschechischen
und dem Serbischen.
Die enttäuschte Hoffnung auf die Schaffung einer
allgemeinslawischen Sprache und das mangelnde In-
teresse des Großteils der slowenischen Gesellschaft
führte zur Einstellung der Slovenska bčela. Janežič
begann mit der Herausgabe der slowenischen Lite-
raturzeitschrift → Slovenski glasnik ; darin erschienen
auch Beiträge slowenischer Studenten, die zu einer li-
terarischen slawischen Gemeinschaft aufriefen, deren
Grundlage das Studium und die Annahme der kyrilli-
schen Schrift sein sollte. Einspieler gab in der Folge
eine Reihe von Periodika in slowenischer und deutscher
Sprache heraus. Die bedeutendste Publikation darunter
war die Zeitung → Slovenec. Sie enthielt Beiträge mit
der Forderung nach der Einführung einer gemeinsa-
men allgemeinslawischen Rechtschreibung, und zwar
auf Grundlage der russischen kyrillischen Schrift.
Ein erneutes Aufblühen der R. war in den 60er-
Jahren zu verzeichnen. Es stand im Zusammenhang
mit der Einführung der dualen Herrschaft im Habs-
burgerreich, die von den Slawen als bequeme Art ih-
rer Assimilierung seitens der Ungarn und Deutschen
betrachtet wurde (→ Assimilation). Ende der 60er-,
Anfang der 70er-Jahre entstand in den slowenischen
Ländern eine starke Protestbewegung gegen die Po-
litik der Wiener Regierung. Überall wurden stark be-
suchte → Tabor-Versammlungen organisiert, auf denen
Losungen für ein Vereinigtes Slowenien und für die
Rechte der slowenischen Sprache ausgegeben wurden
(→ Zedinjena Slovenija). Diese wurden großteils von
Liberalen organisiert. In Kärnten/Koroška veranstal-
tete die im Dezember 1869 von Liberalen gegründete
Gesellschaft → Trdnjava solche Tabor-Versammlun-
gen. Einige ihrer prominentesten Vertreter waren Albin
→ Poznik, Sekretär (Konzipient) der Notariatskanzlei
des Liberalen V. Pavlič in Völkermarkt/Velikovec, F.
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602