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1492
Wehrkirche(n)
Diex/Djekše, innerer Wehr-
gang, Wiki/Johann Jaritz
in jenen Teilen Europas gezielt Raubzüge unternah-
men, plünderten und brandschatzten, die in der Folge
den Weg für ihre Kriegszüge nach Wien und Venedig
frei machen sollten. So entstand bis zum Ende des 15.
Jh.s ein systematisches Netzwerk von 350 bis 400 W.,
die unterschiedliche Formen aufwiesen : von einfach
befestigten Höhlen über einfache oder komplexere
Umfassungsmauern mit Türmen und Hängebrücken
bis hin zu echten »militärischen« Befestigungsanlagen,
bei denen ganze Täler mit Begrenzungsmauern vor
den Türkeneinfällen geschützt wurden (teilweise er-
halten ist die »Talsperre« bei → Eisenkappel/Železna
Kapla).
Dieses Befestigungssystem stellte die einzige wirk-
liche Form der Abwehr vor den immer häufigeren
Raubzügen der Türken/Osmanen dar und beherrschte
zusammen mit Bergfeuern an exponierten, weithin
sichtbaren Stellen die → Kulturlandschaft vom Un-
terlauf der Mur/Mura (das sog. Pomurje) bis in den
Friaul und von Kroatien und Istrien/Istra weit in den
Norden bis nach →
Südkärnten/Južna Koroška und an
die Grenzen Tirols. Die Architektur der slowenischen
antitürkischen W. kann man mit den in jener Zeit ty-
pischen bürgerlichen und feudalen Bauformen der
Wehrarchitektur vergleichen. Das Gebiet, in dem W.
errichtet wurden, wird südlich des Alpenhauptkammes
in fünf im Spätmittelalter am stärksten besiedelte Re-
gionen eingeteilt (→ Kolonisierung, mittelalterliche).
Die meisten erhaltenen W. befinden sich vor allem im
slowenischen, südlichen Teil Kärntens, wo die Einwoh-
ner die über 70 Anlagen großteils selbst errichteten.
Das 15. und 16. Jh. waren für die slowenischen Bau-
ern die schwierigsten in der gesamten Geschichte. We-
gen der Wirtschaftskrise, des Verbots des bäuerlichen
Handels, der Naturkatastrophen (Heuschreckenplagen,
Trockenheit, Erdbeben [1511] und Epidemien) sowie
als Höhepunkt der organisierten zerstörerischen Raub-
züge der Türken/Osmanen wurde der ländliche Raum
fast gänzlich verwüstet. Die Türkeneinfälle begannen
um 1400 und hörten erst in der ersten Hälfte des 16.
Jh.s auf. Die Beschreibungen von Augenzeugen sind
erschreckend. Für die 70er-Jahre des 15. Jh.s schreibt
der Chronist Jakob → Unrest, dass im gesamten
→ Rosental/Rož nur eine Hütte, ein Getreidespeicher
und eine Trocknung übrig geblieben sind, überall lagen
Haufen von getöteten Tieren und Menschen und es
habe niemanden gegeben, der sie begraben hätte. Die
schutzlosen Bauern standen vor der Frage, wie sie über-
haupt überleben sollten. Zwar begann man zunächst gegen die türkischen/os-
manischen Einheiten, die vielfach in kleinen berittenen
Einheiten, bisweilen aber auch in ganzen Heerscharen
einfielen, die Städte zu befestigen sowie Burgen und
sonstige militärische Einrichtungen im Gebiet der
sog. »Militärgrenze« (vojna krajina) längs des Flusses
Kolpa (kroatisch Kupa) zu verstärken. Doch war meist
nicht genügend Zeit für die Bauern aus der weiteren
Umgebung, darin Zuflucht zu finden, oder sie wurden
gar nicht erst in die Burgen gelassen. Auch die Bürger
verwehrten ihnen die Zuflucht, obwohl für sie und die
Feudalherren gerade die Bauern im Rahmen des Fron-
dienstes beim Bau der Wehranlagen arbeiten muss-
ten. Zumindest aber erlernten sie dabei die Kunst des
Wehranlagenbaues.
Bis dahin waren es neben den Burgen lediglich die
gemauerten Kirchen, die errichtet wurden, um die
Zeiten zu überdauern. Viele Kirchen wurden von den
Dorfgemeinschaften errichtet, um eine eigene Kirche
zu besitzen. Die Kirchenobrigkeit sorgte zur Zeit der
Türkeneinfälle wenig für den Schutz dieser Gebäude,
obwohl ihre Haupteinahmen gerade aus den lokalen
Kirchen stammten. Deshalb genehmigte sie vielfach,
diese ländlichen Kirchen zunächst mit Befestigungs-
mauern zu schützen und danach darin die Dorfspeicher
zu errichten, seltener half sie auch den Bauern. Später
genehmigte sie auch immer größere Wehranlagen um
bedeutende Kirchen, die im letzten Viertel des 15. Jh.s
teilweise zu wirklichen Festungen wurden.
Wegen der Furcht vor →
Bauernaufständen ver-
suchten die Feudalherren bereits im 16. Jh. die W. zu
Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
Von den Anfängen bis 1942, Band 3 : PO - Ž
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Enzyklopädie der slowenischen Kulturgeschichte in Kärnten/Koroška
- Untertitel
- Von den Anfängen bis 1942
- Band
- 3 : PO - Ž
- Autoren
- Katja Sturm-Schnabl
- Bojan-Ilija Schnabl
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79673-2
- Abmessungen
- 24.0 x 28.0 cm
- Seiten
- 566
- Kategorien
- Geographie, Land und Leute
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Lemmata Band 3 Po–Ž 1049
- Verzeichnis aller AutorInnen/BeiträgerInnen und ihrer jeweiligen Lemmata 1571
- Verzeichnis aller ÜbersetzerInnen und die von ihnen übersetzten Lemmata 1577
- Verzeichnis der BeiträgerInnen von Bildmaterial 1579
- Verzeichnis der Abbildungen 1580
- Synopsis (deutsch/English/slovensko) 1599
- Biographien der Herausgeber 1602