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DER KANON DER SCHĂNEN WEIB-
LICHKEIT
[AN wird erst wissen, was die Frauen
sind, wenn ihnen nicht mehr vorge-
schrieben wird, was sie sein sollen.
Es ist nicht leicht, unter der kon-
ventionellen AuĂenseite, die wie ein
_ _ glatter Ăberzug ĂŒber die wohlerzoge-
nen Frauen gebreitet ist, die wahren Konturen ihrer
IndividualitÀt zu entdecken. Gewöhnt an eine be-
stĂ€ndige Kontrolle jeder LebensĂ€uĂerung, mit tausend
unsichtbaren FĂ€den schlimmer als mit Ketten ge-
bunden, durch die Herrschaft sittlicher Normen ge-
nötigt, sich ĂŒber sich selbst zu tĂ€uschen, sich diver-
gierende Empfindungen nicht einzugestehen, gehen
sie stumm den Weg, den ein stÀrkerer Wille ihnen
vorgezeichnet hat.
Die Anschauung ĂŒber das, was das Weib sein
âsoll", bildet die Direktive der weiblichen Erziehung,
die ja ganz darauf gerichtet ist, den heranwachsenden
MĂ€dchen einen bestimmten Typus zu suggerieren.
Allerdings vollzieht sich auch die Entwicklung der
mÀnnlichen Jugend unter einem solchen Drucke; da
aber die Frauen alle nur fĂŒr eine Bestimmung, nur
fĂŒr einen Beruf erzogen werden, bleibt fĂŒr die Indi-
vidualitÀt innerhalb des weiblichen Erziehungsvorbildes
ein weit geringerer Spielraum ĂŒbrig. Zudem sind
die Frauen im allgemeinen geneigter, sich Autori-
tĂ€ten unterzuordnenâ daĂ sie als das schwache
Geschlecht gelten, verdanken sie ja in erster Linie
ihrer SuggestibilitÀt. Die Mittel der Dressur, durch
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Buch Zur Kritik der Weiblichkeit"
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- GrundzĂŒge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der MĂ€nnlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges ĂŒber die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der IndividualitÀt 261
- Nachwort 299