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EINIGES ÜBER DIE STARKE FAUST
S ist eine auffällige Erscheinung, daß
bisher die Frauen als gleichberechtigte
Mitkämpferinnen in jeder Bewegung
wirkten, die auf Erhebung und Be-
freiung der Unterdrückten ausging, so-
ange sie im Zeichen des Kampfes
stand, solange sie eben wirklich eine Sache der
Unterdrückten war — daß aber die Frauen wieder
vom Schauplatz verschwinden mußten, sobald sie zur
Sache der herrschenden Partei wurde, sobald sie zur
Macht gelangte.
Das welthistorische Beispiel dafür ist das Christen-
tum. Trotz der Idee der Gleichstellung, die zu den
Grundtendenzen des Christentums gehört, trotz aller
Antwilnahme der Frauen am christlichen Märtyrer-
und Prophetentume hat sich ihre Stellung in der
christlich-germanischen Welt gegenüber der römisch-
heidnischen, zum mindesten in der Gesetzgebung,
nicht wesentlich verändert. Die Frauen waren in der
neuen Ordnung der Dinge kaum besser daran als in
der alten, obwohl sie während der Zeiten der Ver-
folgung ebenso mutig und aufopfernd wie die Männer
die neue Lehre mit ihrem Blute besiegelt hatten.
Das ist ein böser Präzedenzfall — und die Frauen
haben alle Ursache, darüber nachzudenken, warum
die Männer sie nur so lange als Gleichberechtigte
anerkennen, als sie selbst Mitunterdrückte sind.
Man muß da vor allem fragen: welche Art Mann
ist es, die mit dem Weibe nichts gememsam haben,
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Zur Kritik der Weiblichkeit
- Titel
- Zur Kritik der Weiblichkeit
- Autor
- Rosa Mayreder
- Verlag
- Eugen Diederichs Verlag
- Ort
- Jena
- Datum
- 1922
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 10.5 x 16.5 cm
- Seiten
- 316
- Schlagwörter
- Feminismus, Soziologie, Machtverhältnisse, Geschlechterkampf, Frauen
- Kategorie
- Geisteswissenschaften
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 1
- Grundzüge 7
- Mutterschaft und Kultur 48
- Die Tyrannei der Norm 85
- Von der Männlichkeit 102
- Das Weib als Dame 139
- Frauen und Frauentypen 157
- Familienliteratur 187
- Der Kanon der schönen Weiblichkeit 199
- Einiges über die starke Faust 210
- Das subjektive Geschlechtsidol 244
- Perspektiven der Individualität 261
- Nachwort 299