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EINLEITUNG12
1.2 Die Normierung des Zeremoniells am Wiener Hof
Die Annahme des österreichischen Kaisertitels 1804 sowie die Auflösung des
Alten Reiches 1806 hatten Einfluss auf die Normierung des Zeremoniells in
Wien. Versatzstücke und Symbole des Reiches und Rechte des römisch-deut-
schen Kaisers wurden auf den österreichischen Kaiser transferiert, so dass
es in vielen Bereichen zu einer Amalgamierung der beiden Herrschertitel
kam.29 Diese Übernahme betraf auch den Bereich des Zeremoniells und fand
seinen Niederschlag im „Etiquette-Normale für den österreichischen Kaiser-
hof“, in welchem, wie noch detailliert ausgeführt werden wird, auf zeremoni-
elle Konzepte des 17. und 18. Jahrhunderts zurückgegriffen wurde.
Der Wiener Hof steuerte mit großer Sorgfalt Organisation, Ausstattung
und Umsetzung jener Festlichkeiten, an welchen der Kaiser teilnahm. Dig-
nität, Würde und Decorum fungierten als zentrale Anforderungen, deren
Berücksichtigung in den Planungen eine conditio sine qua non darstellte. Die
Synchronisierung von Kirchenjahr und höfischem Zeremoniell betonte au-
ßerdem die sakrale Komponente und somit das Gottesgnadentum der Habs-
burger.30
Schriftliche Ausarbeitungen von das Zeremoniell regulierenden normati-
ven Texten wurden am Wiener Hof seit der Frühen Neuzeit angefertigt. Seit
der Hofreform von 1652 führte das Obersthofmeisteramt, in dessen Zustän-
digkeitsbereich Fragen des Zeremoniells fielen, die sogenannten Zeremoni-
alprotokolle, welche die Organisation und die Durchführung zeremonieller
Anlässe jahrgangsweise verzeichneten und – mehr oder weniger akribisch –
beschrieben.31 Sie bildeten die Grundlage für die Planung der zeremoniellen
Ereignisse bei Hof. Auf der Basis der dort gesammelten Informationen wur-
den Vorschläge für deren Durchführung erarbeitet und vom Obersthofmeis-
ter dem Kaiser zur Bewilligung vorgelegt.32 Nach der Annahme des österrei-
chischen Kaisertitels 1804 kam es 1810 zu einer Strukturänderung in der
Hofverwaltung, indem die Position eines Oberzeremonienmeisters geschaf-
fen wurde, der organisatorisch in den Stab des Obersthofmeisters eingeglie-
dert war. Erster Amtsinhaber war Gundaker Heinrich Graf Wurmbrand
(1762/63–1847), über dessen Person wenig bekannt ist. Er entstammte ei-
ner Höflingsfamilie: Sein Vater, Gundaker Thomas Graf Wurmbrand, war
bereits wirklicher geheimer Rat und Kommandeur des St. Stephansordens
gewesen. Gundaker Heinrich strebte erfolgreich eine Hofkarriere an. 1797
29 Vgl. Mazohl, Schneider, Translatio Imperii. Schneider, Monarchische Union, S. 39–41.
30 Scheutz, Der Wiener Hof, S. 95.
31 Vgl. hengerer, Zeremonialprotokolle, S. 78–81.
32 Vgl. Stekl, Der Wiener Hof, S. 50.
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Norm und Zeremoniell
Das Etiquette-Normale für den Wiener Hof von circa 1812
- Titel
- Norm und Zeremoniell
- Untertitel
- Das Etiquette-Normale für den Wiener Hof von circa 1812
- Herausgeber
- Karin Schneider
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2019
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20903-4
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 202
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung 8
- 2. Editionsrichtlinien 25
- 3. Edition 27
- Anmerkungen 169
- 4. Glossar 171
- 5. Verzeichnis der Paragraphen 180
- 6. Abkürzungsverzeichnis 182
- 7. Bibliographie 184
- 7.1 Ungedruckte Quellen 184
- 7.2 Gedruckte Quellen 184
- 7.3 Nachschlagewerke 185
- 7.4 Literatur 186
- 8. Personenregister 194