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Da keine echten Fälle des §275 BGB vorliegen, sind auch die Vorschrif-
ten der §§283, 311a, 326 BGB nicht anwendbar. Weder fällt daher der Er-
füllungsanspruch weg und wird durch einen Schadensersatzanspruch er-
setzt, noch entfällt automatisch der Anspruch auf die Gegenleistung;40 viel-
mehr sind die Sekundärfolgen vorübergehender Leistungshindernisse
nicht gesetzlich geregelt. Nach zutreffender h.M. sind insofern die Vor-
schriften über Leistungsverzögerungen entsprechend anzuwenden, wobei
auf das Kriterium der „Durchsetzbarkeit“ der Forderung als Voraussetzung
für Sekundärrechte verzichtet wird, weil diese während des Bestehens des
Hindernisses gerade fehlt.41 Dabei ist in aller Regel davon auszugehen,
dass der Verkäufer die Leistungsverzögerung nicht zu vertreten hat i.S.v.
§276 Abs.1 BGB. Denn die Covid-19-Pandemie ist kein Umstand, den er
bei Anwendung der verkehrserforderlichen Sorgfalt hätte vorhersehen und
vermeiden können; das gilt in der Regel selbst dann, wenn der Vertrag zu
einem Zeitpunkt abgeschlossen wurde, zu welchem die Auswirkungen der
Pandemie bereits vorhersehbar waren, sofern und weil sie auch dann für
den Verkäufer jedenfalls nicht vermeidbar waren. Und selbst wenn der
Verkäufer ein Beschaffungsrisiko gem. §276 Abs.1 S.1a.E. BGB übernom-
men hat, wie das bei der Vereinbarung einer Gattungsschuld regelmäßig
der Fall ist, umfasst dieses in aller Regel nur typische Beschaffungsproble-
me wie etwa (übliche) Preissteigerungen auf dem vorgelagerten Markt und
die Erschließung von Bezugsquellen, nicht aber spezifisch pandemiebe-
dingte Lieferschwierigkeiten.42
Dementsprechend kommt der Verkäufer in diesen Fällen nicht in Lie-
ferverzug (§286 Abs.4 BGB), schuldet also keinen Ersatz der Verzöge-
rungsschäden des Käufers. Zudem besteht keine Grundlage für einen An-
spruch des Käufers auf Schadensersatz statt der Leistung gem. §§280
Abs.1, Abs.3, 281 BGB, sodass er auch etwaige Mehrkosten, die durch ein
Deckungsgeschäft am Markt entstehen, nicht vom Verkäufer ersetzt ver-
langen kann.
Unberührt bleiben allerdings die verschuldensunabhängigen Rechtsbe-
helfe. Danach kann der Käufer gemäß §320 BGB selbstverständlich die
Welter (Hrsg.), Festschrift für Walther Hadding zum 70. Geburtstag am 8. Mai
2004, 2004, S.121 (129); vgl. auch RG JW 1919, 188f.; a.A. F. Eichel, Künftige For-
derungen, 2014, S.323.
40 Riehm (Fn.20), §275 Rn.159.
41 Riehm (Fn.20), §275 Rn.161m.w.N. auch zu abweichenden dogmatischen Erklä-
rungen.
42 R. Schaub, in: beck-online.Großkommentar zum Zivilrecht (Fn.14), 1.3.2020,
§276 Rn.156; Bacher, Corona-Pandemie (Fn.7), S.5168f.
Thomas Riehm
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
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