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Schadensersatzpflicht des Schuldners
Während die Befreiung der Parteien von ihren wechselseitigen Leistungs-
pflichten von einem Vertretenmüssen des Schuldners unabhängig ist, set-
zen Schadensersatzansprüche des Gläubigers dies stets voraus. Dabei ist
zwischen anfänglicher Unmöglichkeit (§311a Abs.2 BGB) und nachträgli-
cher Unmöglichkeit (§§280 Abs.1, Abs.3, 283 BGB) zu differenzieren.
Ein Schadensersatzanspruch wegen anfänglicher Unmöglichkeit gem.
§311a Abs.2 BGB setzt voraus, dass der Schuldner das Leistungshindernis
bei Vertragsschluss kannte oder kennen musste. Dem Schuldner wird hier
nicht die anfängliche Unmöglichkeit als solche zum Vorwurf gemacht,
sondern die Übernahme der Leistungspflicht wider besseres Wissen und
die unterlassene Information des Gläubigers hierüber.7 Dies kommt in den
hier interessierenden Fallkonstellationen nur dann in Betracht, wenn der
Schuldner nicht nur Kenntnis von der Corona-Pandemie und den damit
potentiell verbundenen Einschränkungen hatte, sondern darüber hinaus
wusste oder hätte wissen müssen, dass ihm die Erfüllung des konkreten
Vertrags nicht möglich sein werde. Solche Fälle dürften die Ausnahme
sein. Zudem dürfte eine ähnliche Kenntnis dann regelmäßig auch auf Sei-
ten des Gläubigers vorliegen, was zur Folge hat, dass ein etwaiger Scha-
densersatzanspruch jedenfalls gem. §254 Abs.1 BGB zu kürzen wäre.8
Tritt die Unmöglichkeit erst nach Vertragsschluss ein, ist Anknüpfungs-
punkt des Vertretenmüssens die Unmöglichkeit selbst.9 Beruht sie auf den
Auswirkungen einer Pandemie, etwa hoheitlichen Anordnungen, kann
dem Schuldners regelmäßig zumindest ein Verschuldensvorwurf nicht ge-
macht werden.10 Anderes gilt möglicherweise, wenn die Unmöglichkeit
auf einer behördlichen Schließung des Betriebs des Schuldners beruht und
den Schuldner daran eine Mitverantwortung trifft, weil beispielsweise be-
2.
7 Ausführlich zum Verhältnis der Haftung nach §311a Abs.2 BGB zur c.i.c.-Haf-
tung nach §§280 Abs.1, 241 Abs.2, 311 Abs.2 BGB MüKoBGB/W. Ernst, 8.Aufl.
2019, BGB §311a Rn.21f.; BeckOGK/C. Herresthal, 1.6.2019, BGB §311a
Rn.19ff. (für Spezialität); J. Harke, Das neue Sachmängelrecht in rechtshistori-
scher Sicht, AcP 205 (2005), S.67 (90f.) (für Parallelität).
8 Für entsprechende Anwendung der Vorschrift MüKoBGB/W. Ernst, 8.Aufl. 2019,
BGB §311a Rn.68; BeckOGK/C. Herresthal, 1.6.2019, BGB §311a Rn.129.
9 MüKoBGB/W. Ernst, 8.Aufl. 2019, BGB §283 Rn.5; BeckOGK/T. Riehm,
1.2.2020, BGB §283 Rn.28; abweichend BeckOK BGB/S. Lorenz, 53. Ed. 1.2.2020,
BGB §283 Rn.3 (Umstände, aufgrund derer die Leistung unmöglich wurde).
10 Ebenso M.-P. Weller/M. Lieberknecht/V. Habrich, Virulente Leistungsstörungen –
Auswirkungen der Corona-Krise auf die Vertragsdurchführung, NJW 2020, 1017
(1019). Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
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- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
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