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Angemessener Lebensunterhalt
Der Begriff „angemessener Lebensunterhalt“ begegnet auch in verschiede-
nen Normen des Familienrechts,24 etwa §1603 oder §1610 BGB.25 §1603
BGB betrifft den Selbstbehalt des Unterhaltsschuldners, §1610 BGB den
Bedarf des Unterhaltsgläubigers. Das komplexe Gefüge des Verwandtenun-
terhalts lässt sich aber nicht ohne weiteres auf die Fälle des Art.240 §1
Abs.1 EGBGB übertragen. Am ehesten wird man den Gedanken überneh-
men können, dass der „angemessene Lebensunterhalt“ je nach Lebensstel-
lung der Beteiligten einen anderen Inhalt hat.
Vielversprechender ist der Rückgriff auf §1360a BGB, der den Begriff
„angemessener Unterhalt“ ebenfalls verwendet. Hier geht es um den Fami-
lienunterhalt, den Ehegatten einander nach §1360 BGB schulden. Nach
§1360a Abs.1 BGB umfasst der angemessene Unterhalt der Familie „alles,
was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten
des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegat-
ten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kin-
der zu befriedigen.“ Das passt insofern zu Art.240 §1 EGBGB, als hier wie
dort die unterhaltsberechtigten Kinder einbezogen werden. Das Gesetz un-
terscheidet in §1360a BGB zwischen Haushaltskosten und persönlichen
Bedürfnissen. Zu den Haushaltskosten zählt man die Kosten für Lebens-
mitteleinkäufe, Wohnung nebst Energieversorgung und Einrichtung, evtl.
auch einen Pkw.26 Kleidung, Körperpflege und notwendige ärztliche Be-
handlungen, Krankenversicherung, Kosten für Hobbies, gesellschaftliche
Aktivitäten, Urlaubsreisen und eine angemessene Altersversorgung zählen
grundsätzlich zu den persönlichen Bedürfnissen.27 Es besteht also eine teil-
weise Überschneidung mit den Verträgen, die der Gesetzgeber als wesentli-
che Dauerschuldverhältnisse einstuft. Als angemessen gilt im Rahmen von
a)
24 Für einen Rückgriff auf familienrechtliche Vorschriften auch J. Köndgen, in:
BeckOGK, 15.4.2020, Art.240 §3 EGBGB Rn.41.
25 Für einen Rückgriff auf §1603 BGB Rüfner, Corona-Moratorium (Fn. 14),
S.444f.; für einen Rückgriff auf §1610 BGB T. Liebscher/S. Zeyher/B. Steinbrück,
Recht der Leistungsstörungen im Lichte der COVID-19-Pandemie, ZIP 2020,
S.852 (853).
26 B. Weber-Monecke, in: MüKoBGB, Bd. 9, 8.Aufl., München 2019, §1360a Rn.4;
D. Kaiser, in: NK-BGB, Bd. 4, 3.Aufl., Baden-Baden 2014, §1360a Rn.3f.; jeweils
m.w.N.
27 Weber-Monecke (Fn. 26), §1360a Rn.5; Kaiser (Fn. 26), §1360a Rn.5ff.; jeweils
m.w.N. Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art. 240 EGBGB
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
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