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Regelung für Kleinstunternehmen, Art.240 §1 Abs.2 EGBGB
Art.240 §1 Abs.2 EGBGB dehnt das Leistungsverweigerungsrecht auf von
Kleinstunternehmen i.S.d. Art.2 Abs.3 der Empfehlung 2003/361/EG ab-
geschlossene Dauerschuldverhältnisse aus. Ein Kleinstunternehmen muss
weniger als zehn Mitarbeiter haben (wobei der mitarbeitende Inhaber oder
Teilhaber mitgezählt wird) und zudem entweder einen Umsatz oder eine
Bilanzsumme in Höhe von weniger als 2Mio. EUR aufweisen. Für die
Zahlen kommt es auf den letzten Jahresabschluss an (Art.4 der Empfeh-
lung). Mitarbeiter, die nicht das ganze Jahr oder in Teilzeit beschäftigt wa-
ren, werden nach Art.5 der Empfehlung anteilig berücksichtigt.
Voraussetzungen im Hinblick auf den Vertrag
Die Definition des wesentlichen Dauerschuldverhältnisses ist für Kleinst-
unternehmen eine andere als für Verbraucher. Nach Art.240 §1 Abs.2 S.3
BGB handelt es sich um solche Dauerschuldverhältnisse, „die zur Einde-
ckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbe-
triebs erforderlich sind“. Die Gesetzesbegründung nennt als Beispiele die
gleichen Verträge, die auch für Verbraucher „wesentlich“ sein sollen.51
Wie die entsprechende Regelung für Verbraucher ist diese Aufzählung
aber nicht abschließend. Der Anwendungsbereich dürfte sogar noch wei-
ter sein als für Verbraucher: Im Bereich der Pflichtversicherungen sind ge-
genüber den Verbraucherverträgen noch die Berufshaftpflichtversicherun-
gen zu nennen. Denkbar erscheint ferner, je nach Geschäftsmodell, z.B.
eine Anwendung auf Miet- oder Leasingverträge über Kraftfahrzeuge, Bü-
roausstattung, notwendige Maschinen, auf Dienstverträge mit Steuerbera-
tern über die laufende Lohn- und Finanzbuchhaltung,52 auf IT-Servicever-
träge, Automatenaufstellungsverträge, Lagerverträge.53 Die Grenze könnte
in dem Wort „angemessen“ liegen: Welche Verträge sind für eine ange-
II.
1.
51 BT-Drucks. 19/18110, S.34.
52 Bundesteuerberaterkammer, Häufig gestellte Fragen im Zusammenhang mit den
wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise, Nr.60 („Welche Änderungen
sind für das allgemeine Zivilrecht vorgesehen?“), www.bstbk.de/downloads/bstbk/
presse-und-kommunikation/neuigkeiten/FAQ_Katalog_CORONA_KRISE.pdf (zuletzt
abgerufen am 6.6.2020).
53 Scholl, Art.240 EGBGB (Fn. 18), S.767; Thole, Insolvenzantragspflicht (Fn. 18),
S.659 (mit weiteren Beispielen).
Ann-Marie Kaulbach und Bernd Scholl
110
https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
- Niemand zahlt mehr Miete!? ‑ Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung 147
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- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245