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Vertragliche Vereinbarungen und Verlängerung der Laufzeit, Art.240 §3
Abs.2, 4, 5 EGBGB
Die Rechtsfolge der gesetzlichen Stundung ist anders als die Regelungen
für allgemeine Dauerschuldverhältnisse sowie für Mietverträge nicht zwin-
gend. Art.240 §3 Abs.2 EGBGB ermöglicht ausdrücklich abweichende
Vereinbarungen etwa in Gestalt von Zins- und Tilgungsanpassungen, Teil-
leistungen oder einer Umschuldung.143 Bei Abschluss eines Änderungsver-
trages sind die verbraucherschützenden Vorschriften der §§491ff. BGB
(neben den vorvertraglichen Informationspflichten nach §491a BGB ins-
besondere das Widerrufsrecht nach §495 BGB und bei einer deutlichen Er-
höhung des Nettodarlehensbetrags eine erneute Kreditwürdigkeitsprüfung
gem. §505a Abs.2u. 3 BGB) und bei Abschluss im Fernabsatz darüber hi-
naus die §§312cff. BGB zu beachten.144
Um eine einvernehmliche Lösung zu finden, soll der Darlehensgeber
dem Darlehensnehmer nach Art.240 §3 Abs.4 EGBGB ein Gespräch an-
bieten. Damit greift der Gesetzgeber den Gedanken der Neuverhandlungs-
pflicht auf, der in §313 BGB steckt.145 In dem Gespräch soll die Bank laut
der Entwurfsbegründung auf eigene Hilfs- oder Überbrückungsleistungen
hinweisen. Zum Hinweis auf sämtliche Hilfsangebote Dritter soll die Bank
nicht verpflichtet sein, anders dagegen, wenn sie ihr positiv bekannt sind,
wie etwa die Förderkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau.146 Im Hin-
blick auf das Gesprächsangebot der Bank hat der Gesetzgeber in Art.240
§3 Abs.4 EGBGB die für das Zivilrecht ungewöhnliche Konstruktion
einer „Soll“-Vorschrift gewählt. Eine ähnliche Vorschrift, nach der der Dar-
lehensgeber dem Darlehensnehmer ein Gespräch anbieten soll, enthält
3.
S.969; Rüfner, Corona-Moratorium (Fn. 14), S.448; a.A. Köndgen (Fn. 24),
Art.240 §3 EGBGB Rn.31; Köndgen, Verbraucherkreditrecht (Fn. 88), S.210;
Knops (Fn. 92), §2 Rn.21; C. Wolf/R. Eckert/C. Denz/L. Gerking/A. Holze/S. Kün-
nen/N. Kurth, Die zivilrechtlichen Auswirkungen des Covid-19-Gesetzes – ein
erster Überblick, JA 2020, S.401 (406).
143 BT-Drucks. 19/18110, S.39.
144 Köndgen (Fn. 24), Art.240 §3 EGBGB Rn.58; Köndgen, Verbraucherkreditrecht
(Fn. 88), S.215; Lühmann, Moratorium (Fn. 85), S.1325; kritisch Die Deutsche
Kreditwirtschaft, Stellungnahme (Fn. 94), S.3f.
145 N. Horn, Neues von der Neuverhandlungspflicht, in: Jusletter 11.5.2020; Möll-
nitz/Schmidt-Kessel (Fn. 13), Art.240 §§1–4 EGBGB Rn.172; s. auch BGHZ 191,
139 = NJW 2012, S.373; N. Horn, Neuverhandlungspflicht, AcP 181 (1981),
S.255ff.
146 BT-Drucks. 19/18110, S.39; ablehnend Herresthal, Verbraucherdarlehensrecht
(Fn. 92), S.999.
Ann-Marie Kaulbach und Bernd Scholl
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
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