Seite - 134 - in Vertragsrecht in der Coronakrise
Bild der Seite - 134 -
Text der Seite - 134 -
Unklar ist die Frage, welche Folgen es hat, wenn der Darlehensnehmer
Raten nur teilweise nicht erfüllt. Dann wird – insofern ist das Ergebnis
noch relativ eindeutig (s.o. 1) – nur der nicht gezahlte Teil der Rate um
drei Monate gestundet. Zahlt der Darlehensnehmer z.B. im April statt der
vertraglich geschuldeten 2000 EUR nur die Hälfte, also 1000 EUR, dann
werden 1000 EUR bis Juli gestundet. Das muss zur Folge haben, dass sich
die Stundung weiter fortsetzt (s.u. 4). Wurde die Stundung allein für die
Hälfte einer Monatsrate in Anspruch genommen, verlängert sich die Lauf-
zeit um einen Monat, wobei im letzten Monat ein geringerer Betrag zu
zahlen ist, nämlich die halbe Rate, nach hier vertretener Ansicht zuzüglich
der zwischenzeitlich angefallenen Zinsen. Zur Schaffung von Rechtssi-
cherheit ist den Parteien hier unbedingt eine vertragliche Regelung zu
empfehlen, Art.240 §3 Abs.2 EGBGB.
Anwendung am Fallbeispiel
Fall 4: Die aus dem Fall 1 (s.o. B.I.5) bekannte selbständige Gesangslehre-
rin S hat pandemiebedingt seit Mitte März 2020 keine Einnahmen mehr.
Zur Finanzierung des Kaufs ihrer Eigentumswohnung hat sie ein Darlehen
bei B aufgenommen. Vereinbart sind monatliche Raten für Zins und Til-
gung in Höhe von 1000 EUR. S hat B eine Einzugsermächtigung (SEPA-
Lastschrift) erteilt. Im April 2020 zieht B die Rate weiter von dem Giro-
konto der S ein, obwohl S den dort noch vorhandenen Betrag für ihren Le-
bensunterhalt benötigte. Daraufhin widerruft S die Einzugsermächtigung.
Im Mai 2020 hat S keine Mittel mehr, um die Rate zu zahlen. Sie bittet je-
doch ihren Vater darum, ihr 1000 EUR vorzustrecken, damit sie den Kre-
dit weiter bedienen kann. Im Juni 2020 ist er dazu nicht mehr bereit; S
leistet die Rate kommentarlos nicht.
In diesem Fall bestanden die Voraussetzungen für die gesetzliche Stun-
dung gem. Art.240 §3 Abs.1 S.1u. 2 EGBGB während des ganzen Zeit-
raums von April bis Juni 2020. Möglicherweise ist die Stundungswirkung
im Hinblick auf die April- und die Mairate aber gem. Art.240 §3 Abs.1
S.4 EGBGB nicht eingetreten, weil S diese Raten freiwillig gezahlt hat,
wozu sie nach Art.240 §3 Abs.1 S.3 EGBGB berechtigt ist. Im Hinblick
auf die Aprilrate hatte S der B ein SEPA-Lastschriftmandat erteilt. Dieses
ermächtigt B bis zu einem Widerruf, die monatliche Rate von ihrem Kon-
to abzubuchen. Im SEPA-Mandat des Zahlers liegt eine Weisung an seinen
Zahlungsdienstleister und die Einwilligung in vom Mandat gedeckte Zah-
4.
Ann-Marie Kaulbach und Bernd Scholl
134
https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
zurück zum
Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
- Corona und das Allgemeine Leistungsstörungsrecht 11
- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
- Verbraucher- und Gläubigerrechte in der Corona-Krise –Ausweitung oder Einschränkung? 73
- Die vertragsrechtlichen Regelungen in Art.240 EGBGB: Voraussetzungen, Rechtsfolgen, offene Fragen 95
- Niemand zahlt mehr Miete!? ‑ Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen auf die Pflicht zur Mietzahlung 147
- Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise 175
- Transportrecht in der Corona-Krise 205
- Das Arbeitsvertragsrecht in der Coronakrise 223
- Vertragsrecht in der Corona-KriseCOVInsAG: Auswirkungen auf die Insolvenzantragspflicht und die Haftung der Organe 245