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bei Reiseausfällen auf Grund der Corona-Krise der Reiseveranstalter statt
der Rückgewähr in Geld Gutscheine an den Reisenden überlassen kann.107
Auch wenn die genauen Details bislang offen sind,108 stellt ein solches
Vorgehen in jedem Fall eine spürbare Beschränkung der Rechte der Rei-
senden dar. Der Gutschein hat darlehensähnlichen Charakter,109 weil der
Reisende die Geldzahlung bereits jetzt erbringt, die Gegenleistung in
Form der Reiseleistung aber erst in mehr oder weniger ferner Zukunft zu
erhalten hofft. Insoweit trägt der Reisende das Insolvenzrisiko des Reise-
veranstalters, der möglicherweise in der Zwischenzeit seinen Geschäftsbe-
trieb einstellen muss und daher seine Verpflichtung nicht mehr erfüllen
kann. Zwar dürften auch die Gutscheine von der Insolvenzsicherung des
§651r BGB erfasst sein,110 allerdings geht jedenfalls von der Begrenzung
des §651r Abs.3 S.3 BGB eine erhebliche Gefahr für den Reisenden aus.
Dies gilt selbst, wenn sie europarechtskonform gestaltet wäre,111 weil auch
dann ein vom Richtliniensetzer toleriertes Restrisiko verbleibt. Darüber hi-
naus hat der Reisende möglicherweise Zins- und Inflationsnachteile. Er
kann die Summen nicht anderweitig investieren und erleidet unter Um-
ständen einen Nachteil schon deshalb, weil bis zur Einlösung des Gut-
scheins eine Geldentwertung erfolgt ist. Nicht zuletzt widerspricht die
Gutscheinlösung in einigen Fällen auch insoweit den Interessen des Rei-
senden, weil er nur einmalig für diese Reise mit diesem Reiseveranstalter
buchen wollte oder auf absehbare Zeit keinen weiteren Urlaub mehr
plant. Dies dürfte vor allem bei Reisen aus besonderen Anlässen (z.B.
Hochzeitsreise) der Fall sein, die in aller Regel nicht zu einem anderen
Zeitpunkt nachgeholt werden; ob der Reisende eine andere Reise in ver-
gleichbarem Umfang plant oder wünscht, ist offen und kann möglicher-
107 Siehe dazu die Mitteilung bei becklink 2016104.
108 Siehe den Beschluss des „Corona-Kabinetts“ vom 02.04.2020 und die Pressemit-
teilung des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung Nr.118.
109 So auch die Stellungnahme der Verbraucherzentralen, becklink 2015987.
110 Weil die Norm auf den „Reisepreis“ Bezug nimmt, dürfte es wohl keine Rolle
spielen, ob dieser schon mit einer bestimmten, konkretisierten Reiseleistung in
Verbindung steht oder vorerst abstrakt für eine noch näher auszugestaltende
Verpflichtung geleistet wird. Eine solche Auslegung gebietet jedenfalls der Sinn
und Zweck der Norm, die den Reisenden schützen will, weil er regelmäßig weit
im Vorfeld leisten muss (Baumgärtner (Fn. 70), §651r Rn.1; Steinrötter (Fn. 8),
§651r Rn.4). Unklar aber Staudinger (Fn. 16), §12 Rn.12, der davon ausgeht,
nur solche Leistungen seien erfasst, die nach dem Abschluss des Pauschalreise-
vertrages erbracht werden. Siehe nunmehr aber: Staudinger/Achilles-Pujol (Fn.
10), §7 Rn.61ff.
111 Dazu oben: D. II. und III. Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
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- Wegfall der Geschäftsgrundlage als Antwort des Zivilrechts auf krisenbedingte Vertragsstörungen? - Systemerwägungen zu §313 BGB und sachgerechter Einsatz in der Praxis - 47
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