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gen in die eine noch in die andere Richtung gestattet sind.117 Zudem ist
der völlige Ausfall der Reise vom Anwendungsbereich der RL erfasst, wie
Art.13 Abs.3 Pauschalreise-RL klarstellt, der allgemein von Vertragswid-
rigkeiten spricht und damit deutlich macht, dass der von §651i Abs.2 S.3
BGB gewählte Mangelbegriff gleichermaßen das europäische Recht be-
herrscht. Es darf demnach auch bei einer generellen Unmöglichkeit der
Reise vom Pflichtenprogramm der RL nicht abgewichen werden. Art.13
Abs.6 UAbs.1 Pauschalreise-RL sieht die Befugnis des Reisenden zum
Rücktritt vor, wenn die Mangelhaftigkeit erheblich ist und nicht in zurei-
chender Zeit Abhilfe geschaffen wird. Dabei dürfte das europäische Recht
so zu verstehen sein, dass eine Fristsetzung gleichwohl entbehrlich ist,
wenn die Abhilfe unmöglich ist, auch wenn dies im Wortlaut nicht zum
Ausdruck kommt.118 Unabhängig davon spielt dieser Aspekt aber für die
Frage, ob dem Reisenden die Rückzahlung in Geld geschuldet ist, keine
Rolle. Weil explizit der Rücktritt vorgesehen ist, muss der Reisende das zu-
rückerhalten, was er zuvor an den Reiseveranstalter überlassen hat. Art.12
Abs.2 S.2 Pauschalreise-RL spricht explizit aus, dass der Reisende die Er-
stattung aller Leistungen verlangen kann, so dass hier erkennbar ein Recht
zur Erbringung von Gutscheinen nicht vorgesehen ist. Mithin kommt die
Gewährung eines Gutscheins höchstens dann in Betracht, wenn der Rei-
sende zuvor einen solchen eingesetzt und damit den Reisepreis beglichen
hat,119 weil dann auch keine ursprüngliche Zahlung durch ihn vorliegt,
die gem. Art.12 Abs.2 S.2 Pauschalreise-RL zwingend zu erstatten wäre.
In allen anderen Fällen hat der Reisende Geld geleistet und muss deshalb
auch solches wiedererhalten.120 Dasselbe gilt für die in Art.14 Abs.1 Pau-
schalreise-RL europarechtlich vorgesehene Minderung. Die Regelung sieht
vor, dass für die Dauer der Vertragswidrigkeit der Reisende eine angemes-
sene Preisminderung erhält. Fällt die Reise gänzlich aus, kann nur die voll-
ständige Minderung angemessen sein. Hat der Reisende aber das Recht,
117 Dazu näher: E. Führich, Die neue Pauschalreiserichtlinie, NJW 2016, 1204
(1205); K. Tonner, Der Vorschlag einer neuen Pauschalreiserichtlinie, ZRP 2014,
5 (6).
118 Im Ergebnis ebenso für den Bereich des §651l BGB: Deppenkemper (Fn. 6),
§651l Rn.7; Geib (Fn. 6), §651l Rn.7; V. Klingberg, in: B. Gsell/W. Krüger/S.
Lorenz/C. Reymann (Hrsg.), beckonline.Grosskommentar zum Zivilrecht, 2020,
§651l BGB Rn.43; Staudinger (Fn. 16), §20 Rn.18; Steinrötter (Fn. 8), §651l
Rn.21.
119 Hierzu: AG Hannover, RRa 2002, 79 (80); allgemein: M. Zwickel, Vertragsbezie-
hungen, Leistungsstörungen und Gestaltungsmöglichkeiten beim Gutscheinge-
schäft, NJW 2011, 2753 (2757).
120 Ebenso: Staudinger/Achilles-Pujol (Fn. 10), §7 Rn.18.
Aktuelle Probleme im Reiserecht durch die Corona-Krise
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
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