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Grundzüge des deutschen Frachtrechts
Neben der beschriebenen Komplexität des Transportrechts führt auch die
eigentümliche Systematik seines Haftungsregimes dazu, dass es sich nicht
ohne Weiteres auf Anhieb erschließt.
Die zentrale Haftungsnorm des deutschen Frachtrechts ist der §425
HGB. Nach Absatz 1 dieser Vorschrift haftet der Frachtführer „für den
Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von
der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung oder durch Über-
schreitung der Lieferfrist entsteht“. Diese Vorschrift ist im Zusammen-
hang mit §426 HGB zu sehen, nach dem der Frachtführer von der Haf-
tung befreit ist, „soweit der Verlust, die Beschädigung oder die Überschrei-
tung der Lieferfrist auf Umständen beruht, die der Frachtführer auch bei
größter Sorgfalt nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden
konnte“. Diese beiden Vorschriften bilden in ihrer Zusammenschau eine
verschuldensunabhängige Haftung des Frachtführers, die sogenannte Ob-
hutshaftung, die nur in denjenigen Fällen nicht eingreift, in denen der
Frachtführer die eingetretene Pflichtverletzung auch bei größter Sorgfalt
nicht vermeiden und die Folgen nicht abwenden konnte.12 Für den Zeit-
raum, in dem der Frachtführer das Gut in seiner Obhut hat, haftet er also
zumindest grundsätzlich sehr umfassend und je nach seiner rechtlichen
Organisationsform auch mit seinem gesamten Vermögen. Weil aber trans-
portierte Güter oft sehr wertvoll sein können, wäre die umfassende Haf-
tung des Frachtführers vor dem Hintergrund der verschuldensunabhängi-
gen Haftung für Verlust, Beschädigung und Überschreitung der Lieferfrist
ein enorm großes Risiko.13 Daher enthalten sowohl das deutsche Recht als
auch internationale frachtrechtliche Übereinkommen eine Obergrenze für
die Haftung des Frachtführers, die unabhängig vom Wert des zu transpor-
tierenden Guts eine Höchstgrenze für die Haftung des Frachtführers festle-
gen. Im deutschen Recht ist diese Haftungshöchstgrenze in §431 HGB ge-
regelt. Nach dieser Vorschrift ist die Haftung des Frachtführers in Fällen
der Beschädigung oder des Verlusts des Guts begrenzt auf 8,33 Sonderzie-
hungsrechte (SZR) pro Kilogramm des Rohgewichts des Guts. Ein Sonder-
ziehungsrecht entspricht derzeit etwa € 1,26. Für die Beschädigung oder
den Verlust einer Sendung mit einem Rohgewicht von 10 kg würde der
2.
12 Zu den Einzelheiten siehe zum Beispiel A. Maurer, in: H. Staub Großkommentar
zum HGB, Berlin 2017, Band 12/1, §425 HGB.
13 Zu Hintergründen siehe M. Paschke, in: Oetker, Handelsgesetzbuch, München
2019, §425, Rn.1f.
Andreas Maurer
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https://doi.org/10.5771/9783748909279, am 02.10.2020, 12:06:58
Open Access - - https://www.nomos-elibrary.de/agb
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Buch Vertragsrecht in der Coronakrise"
Vertragsrecht in der Coronakrise
- Titel
- Vertragsrecht in der Coronakrise
- Autor
- Daniel Effer-Uhe
- Herausgeber
- Alica Mohnert
- Ort
- Baden-Baden
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7489-0927-9
- Abmessungen
- 15.3 x 22.7 cm
- Seiten
- 258
- Kategorien
- Coronavirus
- Recht und Politik
Inhaltsverzeichnis
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